Die Kreispolizeibehörde Soest nennt in ihren Pressemitteilungen auf dem Blaulichtportal der NRW-Polizei seit Kurzem die Nationalität von Tatverdächtigen, Straftätern und Straftatopfern. Damit entscheidet sich die zweite Polizeibehörde im Verbreitungsgebiet unserer Redaktionen zu einer größeren Transparenz bei ihrer Berichterstattung.
Bereits im vergangenen Jahr hatte die Pressestelle der Kreispolizei Unna diesen Schritt vollzogen (Bericht weiter unten). Schon seit jeher verfährt so die Bundespolizei. Diese führt auf ihrem Portal sowohl das Alter, den Wohnort als auch die Nationalität sämtlicher Beteiligter auf – der Täter/Tatverdächtigen, der Opfer und auch der Zeugen. Damit bildeten die Sprecher der Bundespolizei jahrelang eine Ausnahme.
Denn bis sich im September 2022 die Kreispolizeibehörde Unna zu größerer Offenheit entschloss, war die Frage der Nationalität bei Meldungen von Straftaten grundsätzlich der Nachfrage von Pressemedien vorbehalten. Heißt, die Auskunft wurde gegeben, musste jedoch stets extra erfragt werden.
Sehr schwer tut sich damit seit Sommer vorigen Jahres die Polizeidirektion Dortmund, nachdem bei einem Einsatz in der Nordstadt am 8. 8. 2022 der 16-jährige senegalesische Flüchtling Mouhamad D. durch Polizeikugeln getötet wurde.
Ausgerechnet jene Polizeibehörde, die mit ihrer Sonderkommission SOKO Rechts seit Jahren offensiv gegen Rechtsradikalismus und Rassismus vorgeht, wurde im Anschluss an diesen tragisch verlaufenen Einsatz massiv kritisiert bis offen als „Mörder“ angeprangert. Seither geht sie mit der Frage „Nennung von Tatverdächtigen-/Täterherkünften“ noch zurückhaltender um als vorher.
Die Soester Kreispolizei fuhr bis zu personellen Wechseln in der Pressestelle sogar einen noch rigideren Kurs und nannte die Herkunft selbst auf Nachfrage nicht. So schrieb der frühere Presstestellenleiter Wolfgang Lückenkemper unserer Partnerredaktion Rundblick Unna einmal, dass seine Pressestelle grundsätzlich selbst entscheide, welche Angaben für eine Polizeimitteilung von Relevanz seien und welche nicht.
Entsprechend sahen unsere Kollegen fortan von Nachfragen ab – hätten diesen Streit allerdings bis zum Innenministerium tragen können, da die Polizeipressesprecher zur Beantwortung von Presseanfragen verpflichtet sind und nicht eigenmächtig zu entscheiden haben, welche Fragen für die Öffentlichkeit relevant sind und welche nicht.
Vom strikten „Mauern“ ist die Soester Polizeipressestelle nun plötzlich zu initiativer Offenheit umgeschwenkt. Unserer Redaktion fiel das auf, als vor einigen Wochen plötzlich bei mehreren Raub- und Diebstahlnachrichten aus Soest oder anderen Städten des Kreises zusätzlich mitgeteilt wurde, der/die Tatverdächtigen keben derzeit in einer ZUE (Zentralen Unterbringungseinrichtung) und hätten diese und jene Staatsangehörigkeit.
Tatsächlich bestätigte uns Polizeihauptkommissar Marco Baffa-Scinelli, dass die Pressestelle diesbezüglich einen neuen Kurs fährt.
„Generell werden wir, wie in der jüngsten Vergangenheit auch, die Herkunft der Straftäter oder auch Geschädigten nennen.
Da durch die Nennung der Nationalität in den meisten Fällen die Ermittlungen nicht gefährdet sind, sehen wir auch keinen Anlass dazu, das nicht zu tun. Außerdem wollen wir den Verschwörungstheoretikern nicht noch den Nährboden geben, dass die uns vorwerfen, wir hätten etwas verschwiegen. Das soll auch unsere zukünftige Ausrichtung hier in Soest sein.
Sie können auch davon ausgehen, dass, wenn keine Nationalitäten genannt sind, es sich um Straftäter oder Geschädigte mit deutscher Nationalität handelt.“
Die Pressesprecher der Unnaer Kreispolizei änderte ihren vormals sehr zugeknöpften Berichterstattungsmodus ähnlich überraschend Anfang September des vorigen Jahres. Bis dato hatte sie die Frage der Herkunft von Tatverdächtigen grundsätzlich erst auf Nachfrage herausgegeben und bei minderjährigen Straftätern nicht einmal das Alter genannt, auch nicht auf Nachfrage der Presse. Begründet wurde das auf Nachhaken des Rundblicks mehrmals mit dem besonderen Persönlichkeitsschutz Minderjähriger.
Doch bei vielen Bürgern und dem ganz überwiegenden Teil unserer Leser stieß diese Art von „Täterschutz“ auf großes Unverständnis und Kritik, gerade wenn es sich um Gewalt- und Intensivtäter handelte.
Überraschend entschloss sich die Unnaer Polizeipressestelle dann zu größerer Offenheit. Sie nennt seit Montag, 5. September 2022, in ihren auf dem öffentlichen Polizeiportal eingestellten Meldungen stets sowohl die Nationalitäten mutmaßlicher Täter als etzt auch das Alter minderjähriger Verdächtiger.
Maßgeblich ist für polizeiliche Pressearbeit der Runderlass des NRW-Innenministeriums vom 15. 11. 2011. Nach diesem sind initiative Herkunftsnennungen von „Minderheiten“ gestattet, „… wenn sie für das Verständnis eines Sachverhalts oder für die Herstellung eines sachlichen Bezugs zwingend erforderlich ist“.
Diese Formulierung lässt nun zugegebenermaßen viel Interpretationsspielräume zu. Der jeweilige Pressemitteilungsverfasser muss stets im Einzelfall und gezwungenermaßen subjektiv entscheiden, ob es für das Verständnis des Bürgers „zwingend erforderlich ist“ zu wissen, ob ein Täter oder Tatverdächtiger Deutscher, Chinese, Marokkaner o. a. ist.
Den nun gewählten Weg, die Herkunft generell zu nennen, habe man sich „von höchster Stelle“ absichern lassen, bemerkte der damalige Unnaer Polizeisprecher Christian Stein.
„Wir werden die Reaktionen der Leute beobachten und sicherlich auch unsere Schlüsse ziehen.“
Ein erstes direktes Feedback bekam die KPB Unna gleich zum Start ihrer neuen Transparenz auf ihrer eigenen Facebookseite: Dort berichtete sie über einen kriminellen „Antänzer“ und sexuellen Belästiger auf dem Stadtfest und fügte hinzu, dass der (inzwischen inhaftierte) Verdächtige Algerier sei. Dies wurde von Foristen mit sofortigem Lob quittiert.
Jedoch, so unterstrich der Unnaer Polizeisprecher schon beim Beginn der „neuen Offenheit“ im September 2022:
„Es bleibt jedem Medium freigestellt, welche Informationen es aus dem Angebot unserer Pressemitteilungen übernimmt – und auf welche es verzichtet.“
- Unsere Redaktionsteams von Ausblick am Hellweg, Rundblick Unna und MeinSchwerte begrüßen diese neue Transparenz der Kreispolizei Unna. Sie entspricht den Grundsätzen, nach denen auch wir bereits seit vielen Jahren unsere Berichterstattung über Kriminalität ausrichten.
- Die Gründe dafür haben wir in diesem Artikel zusammengefasst: „Warum wir Ross und Reiter nennen“
Kommentare
[…] Jetzt hat sich eine benachbarte Polizeipressestelle zur gleichen Transparenz entschlossen. Die Begründung des Pressechefs lesen Sie auf unserem Partnerportal Ausblick am Hellweg. […]
[…] Seit Kurzem ist die in diesem Punkt zuvor sehr zurückhaltende Kreispolizei Soest dazu übergegangen, in ihren Pressemitteilungen ungefragt die Herkunft von Tatverdächtigen und weiteren Beteiligten zu nennen. Wir berichteten darüber. […]
[…] Seit vergangenem Jahr ist die- in diesem Punkt zuvor sehr zurückhaltende – Kreispolizei Soest dazu übergegangen, in ihren Pressemitteilungen ungefragt die Herkunft von Tatverdächtigen und weiteren Beteiligten zu nennen. Wir berichteten darüber. […]
[…] Unna und Soest schreiben die Herkünfte seit ca. eineinhalb bzw. zwei Jahren grundsätzlich in ihre […]
[…] anders verfahren die Kreispolizeien Unna und Soest. Beide schreiben die Herkünfte seit ca. eineinhalb bzw. zwei Jahren grundsätzlich in ihre […]