Sorgen wegen Inflation, hohen Mietpreisen und Wohnungsnot, mangelnder Digitalisierung sowie drohender Altersarmut bedrückten offenbar viele junge Menschen schwer: Die neue Trendstudie „Jugend in Deutschland„, die heute (23. April) veröffentlicht wurde, zeigt alarmierende Ergebnisse.
Die Grundstimmung bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist den Ergebnissen zufolge offenbar gekippt. Zahlreiche Befragte geben an, sich psychisch belastet, überfordert und verunsichert zu fühlen. Nach ihren Parteienpräferenzen befragt, zeigen die jungen Leute einen Rechtsruck.
Erstmals würden die meisten der 14- bis 29-Jährigen – 22 Prozent – die AfD wählen, wenn jetzt Bundestagswahl wäre. Das sind mehr als doppelt so viele wie noch vor zwei Jahren.
2022 hatten sich 9 Prozent für die AfD ausgesprochen, 2023 waren es 12 Prozent.
- Die Union kann sich bei der Generation Z steigern – von 16 klettert sie auf 20 Prozent.
- Auf Platz 3 der Parteipräferenzen folgen mit 18 Prozent die Grünen (abgestürzt von 27 Prozent noch vor 2 Jahren).
- Die SPD verliert von 14 auf 12 Prozent,
- Die FDP sackt in der Gunst der Jugend von 19 auf jetzt noch 8 Prozent ab,
- das neue Bündnis Sahra Wagenknecht kommt auf 5 Prozent.
- Deutlich mehr als vor zwei Jahren erklären auf die Frage, wen sie wählen würden, „Ich weiß es nicht“ – es sind jetzt 25 Prozent (vor 2 Jahren: 19 Prozent).
Damit bekennen sich 50 Prozent aller Befragten der Generation Z zum bürgerlich-konservativ-liberalen Lager.
Für die Studie der Jugendforscher Simon Schnetzer und Klaus Hurrelmann sowie des Politikwissenschaftlers Kilian Hampel wurden im Januar und Februar 2024 deutschlandweit rund 2000 junge Menschen von 14 bis 29 Jahren repräsentativ befragt: nach ihrer Parteipräferenz, ihren größten Sorgen, der Zufriedenheit mit ihrer persönlichen Lage (Finanzen, Gesundheit, berufliche Chancen) und der gesellschaftlichen Lage (Wirtschaft, Zusammenhalt, politische Verhältnisse, Lebensqualität in Deutschland).
Das Ergebnis: Die befragten jungen Menschen sind im Vergleich zu Befragungen der Vorjahre deutlich pessimistischer und sorgen sich besonders um die gesellschaftlich-wirtschaftliche Lage.
Laut Hurrelmann hätten die Befragten den Eindruck, dass der Staat sich nicht um sie kümmere.
Die Studie basiert auf einer repräsentativen Online-Befragung von 2.042 Personen im Alter von 14 bis 29 Jahren. Sie wird seit 2020 in regelmäßigem Abstand wiederholt. Die Stichproben wurden so zusammengestellt, dass sie der soziodemografischen Altersstruktur der deutschsprachigen Gesamtbevölkerung in Deutschland der jeweiligen Altersgruppe entsprechen. In Berlin und Brandenburg beteiligten sich 149 Menschen an der Befragung. Der Erhebungszeitraum: 8. Januar bis 12. Februar 2024.
Sorgen um die Zukunft stehen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Vordergrund. Genannt werden Inflation, hohe Mieten, Wohnraummangel, die Kriege in der Ukraine und in Gaza. Genannt werden auch Befürchtungen wegen der Spaltung der Gesellschaft.
Die Forscher schreiben:
„Es wirkt so, als hätte die Corona-Pandemie eine Irritation im Vertrauen auf die Zukunftsbewältigung hinterlassen, die sich in einer anhaltend tiefen Verunsicherung niederschlägt.“
Die Zufriedenheit mit der persönlichen Situation – Finanzen, Beruf, Gesundheit und sozialer Anerkennung – liegt noch leicht im positiven Bereich, aber überall sind Rückgänge zu sehen. Eher unzufrieden mit der wirtschaftlichen Entwicklung, dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und den politischen Verhältnissen waren die Befragten auch schon 2022 und 2023.
Besonders die Zufriedenheit mit den politischen Verhältnissen ist dieses Jahr aber noch einmal deutlich gesunken. Die Sorgen mit Blick auf den Klimawandel gehen zurück und wachsen dafür bei Themen wie Inflation, Wirtschaft oder Altersarmut.
Zugleich orientieren sich die politischen Präferenzen um. Hurrelmann erklärt:
„Wir können von einem deutlichen Rechtsruck in der jungen Bevölkerung sprechen. Während die Parteien der Ampel-Regierung in der Gunst immer weiter absinken, hat die AfD besonders großen Zulauf.“
Sehr stark gesunken ist den Autoren zufolge aber im Vergleich zur Shell-Jugendstudie von 2019 die Zustimmung zur Aufnahme vieler Geflüchteter.
57 Prozent waren damals dafür, in der vorliegenden Studie sind es nur noch 26 Prozent. „Hier hat offensichtlich ein heftiger Meinungsumschwung in der jungen Generation stattgefunden“,
schreiben die Autoren.
Aus der Erhebung ergebe sich für die Regierungsparteien „das eindeutige Signal, dass sie auch im Blick auf die junge Generation eine Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik betreiben müssen, die das positive Potenzial von Migration für die Zukunft in Deutschland fördert und lösungsorientiert mit den damit verbundenen Ängsten umgeht“, heißt es. „Hier gibt es offensichtlich ein erhebliches Kommunikationsdefizit.“
Und die Forscher warnen eindringlich:
Wer nicht auf relevanten Social-Media-Kanälen und Plattformen aktiv ist, wird der Studie zufolge von jungen Menschen schlichtweg nicht zur Kenntnis genommen. Die AfD ist auf der Videoplattform Tiktok schon lange aktiv und hat dort viele Follower. Die Partei erreiche die junge Generation in einem großen Ausmaß. „Den anderen Parteien ist dringend anzuraten, hier nachzuziehen.“
Die Befragung zeigt, dass sich die Mehrheit (57 Prozent) der Jugendlichen und jungen Erwachsenen über Nachrichten und Politik auf Social-Media-Kanälen informiert. 92 Prozent nutzen regelmäßig Whatsapp, dahinter kommen Instagram (80 Prozent) und Youtube (77 Prozent). Tiktok nimmt an Bedeutung zu: Inzwischen nutzen mit 51 Prozent mehr als die Hälfte aller 14- bis 29-Jährigen die App regelmäßig, vor einem Jahr waren es noch 44 Prozent.
Die Studienergebnisse zeigen laut Hampel dringenden Handlungsbedarf im Bildungsbereich. Die jungen Menschen kritisierten einen starken Mangel an Digitalisierung an Schulen und in der Wirtschaft. Außerdem beklagten sie, dass die schulische Ausbildung zu wenig auf das Leben und die Arbeitswelt vorbereitet. Simon Schnetzer sagte, der vielfach gemachte Vorwurf, junge Menschen seien faul, treffe nicht zu. Allerdings forderten sie verstärkt ein Gleichgewicht zwischen Berufs- und Privatleben sowie die Anerkennung von Leistung in Form von bezahlten Überstunden.
Quelle: Trendstudie „Jugend in Deutschland“ / rbb
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