VKU-Stadtwerkekongress – VKU-Umfrage zur Wärmewende: hohe Kosten, unzureichende Finanzierung und unklare Rechtslage erfordern Winter der Entscheidungen
Bis 2045 will Deutschland klimaneutral heizen. Fernwärme, Wärmepumpen und grüne Gase sollen Öl und Erdgas ablösen, mit denen laut Destatis noch 75 Prozent der Wohnungen in Deutschland beheizt werden.
Doch unter den aktuell geltenden Rahmenbedingungen sind die Kosten für Wirtschaft und Bürger aus Sicht von 82 Prozent der Stadtwerke zu hoch.
Die bisherige Finanzierung halten 68 Prozent der Unternehmen für unzureichend und die Rechtslage für unklar (55 Prozent), zum Beispiel mit Blick auf die anstehende, noch offene Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG), das sogenannte Heizungsgesetz.
Das geht aus einer Branchen-Umfrage des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) unter 609 Stadtwerken und kommunalen Energieversorgern hervor, die der VKU zum Stadtwerkekongress am 30. September und 1. Oktober 2025 in Mainz veröffentlicht.
Klimaneutrales Heizen muss sicher und für alle bezahlbar sein – Appell an Wirtschaftsministerium: Brauchen Winter der Entscheidungen für Wärme
VKU-Chef Ingbert Liebing appelliert an das Bundeswirtschaftsministerium sowie das Bundesbauministerium: „Wir appellieren an das Bundeswirtschaftsministerium, im Herbst die Entwürfe für wichtige Gesetzesvorhaben wie das GEG oder das KWKG an den Start zu bringen. Auch das Wärmeplanungsgesetz, die Wärmelieferverordnung und die AVB-Fernwärmeverordnung müssen für die künftigen Aufgaben fit gemacht werden.
Ziel muss ein Winter der Entscheidungen für die Wärme sein. Bürger, Wirtschaft und Stadtwerke brauchen Planungs- und Investitionssicherheit. Klimaneutrales Heizen muss sicher und für alle bezahlbar sein.“
50 Prozent der Stadtwerke übernehmen die Wärmeplanung für ihre Kommune. 91 Prozent gehen aktuell davon aus, dass der Wärmeplan ihrer Kommune pünktlich bis Mitte 2026 bzw. 2028 fertig wird.
„Das ist eine gute Nachricht für Bürger und Wirtschaft, weil der Wärmeplan ihnen Orientierung geben wird. Er schafft für jeden Bürger Klarheit, ob die Kommune für seine Straße oder seinen Stadtteil eher mit Fernwärme oder Wärmepumpen plant oder ob grüne Gase zum Zuge kommen sollen. Kommunen und ihre Stadtwerke haben den Plan, jetzt ist der Bund mit dem rechtlichen und förderpolitischen Rahmen dran, damit aus Plänen Wirklichkeit werden kann.“
Zwischenstand: Aktuell wird mehrheitlich mit Mischung aus Fernwärme und Wärmepumpe geplant
Bei 10 Prozent der befragten Unternehmen ist bei der Wärmeplanung aktuell noch alles offen. In der Tendenz planen Stand heute 48 Prozent der Unternehmen für die Zukunft mit einer Heiz-Mischung, bei der Fernwärme und Wärmepumpen die Hauptrollen spielen. Grüne Gase spielen nur eine Nebenrolle. Auf Platz 2 werden hauptsächlich Strom/Wärmepumpen genannt (38 Prozent). Auf Platz 3 folgt die Fernwärme (23 Prozent).
Milliardenschwere Investitionsoffensive notwendig
Stadtwerke müssen ihre Netze für Fernwärme ausbauen, ihre Stromnetze für Wärmepumpen, E-Mobilität und Rechenzentren verstärken und ihre Gasnetze stilllegen oder manchen Strang auf grüne Gase umrüsten. Dementsprechend plant fast die Hälfte der Unternehmen (48 Prozent), bis 2030 mehr als doppelt so viel in klimaneutrale Wärme zu investieren wie bisher.
Bisher investieren die VKU-Mitgliedsunternehmen hier ca. 1,4 Milliarden Euro pro Jahr.
Um das 30 Prozent-Zwischenziel 2030 für klimaneutrale Wärme zu erreichen, müsste die Wärmewirtschaft mehr als ca. 6 Milliarden Euro pro Jahr investieren, wie die 2024-Berechnungen von AGFW und VKU zeigen.
Die geplanten Investitionen der Stadtwerke fließen vor allem in den Ausbau und die Verdichtung der Nah- und Fernwärmenetze (58 Prozent). Auf Platz 2 folgt der Ausbau und die Ertüchtigung der Stromnetze u.a. für die Wärmepumpe (36 Prozent).
Mit den aktuell geltenden Gesetzen steht für Millionen Haushalte, die aktuell noch mit Erdgas oder Öl heizen, bis 2045 der Wechsel ihrer Heizung an.
Liebing: „Umso wichtiger ist, dass die Wärmepläne keine Papiertiger bleiben, sondern wir dann auch tatsächlich buddeln und bauen können. Wir stehen in den Startlöchern für eine milliardenschwere Investitionsoffensive in die Wärmeversorgung, von der auch das lokale Handwerk und der Tiefbau profitieren würden. Kommunen und ihre Stadtwerke liefern, jetzt ist der Bund dran. Wir brauchen Rechts-, Planungs- und Investitionssicherheit von der Bundesregierung und eine verlässliche und stetige Förderung.“
VKU macht konkrete Vorschläge zu Entscheidungen bei Gesetzesvorhaben
Um bei der Wärmewende schneller voranzukommen, votieren 84 Prozent für Klarheit bei den rechtlichen Rahmenbedingungen. 76 Prozent fordern verlässliche und stetige Förderung. 67 Prozent wünschen sich weniger Bürokratie und schnellere Genehmigung.
Neben der GEG-Novelle hofft der VKU auf eine Verlängerung und anschließende Reform des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG). Denn der Ausbau der KWK-Anlagen hängt aktuell in der Luft, obwohl die Anlagen quasi die Alleskönner der Energiewende sind, weil sie sowohl die Strom- als auch Wärmeversorgung absichern können. Für den Ausbau der Fernwärme brauchen Stadtwerke Gewissheit bei der Wärmelieferverordnung und der AVB-Fernwärmeverordnung und eine verlässliche Förderung. Die Bundesregierung sollte die BEW-Förderung von jetzt gut einer Milliarde für den Ausbau der Fernwärmenetze auf 3,5 Milliarden Euro pro Jahr nicht nur aufstocken, sondern auch verstetigen. „Jeder Fördereuro hilft, Meter zu machen und die Kosten für alle zu senken“, so Liebing. Wichtig sei auch, weniger Bürokratie und schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren für die jeweiligen Bauvorhaben.
Hintergrund I: Wärmewende und zum aktuellen Wärmeplanungs- und Heizungsgesetz
Laut Zensus des Statistischen Bundesamts 2022 werden drei Viertel (75 Prozent) aller 43,11 Millionen Wohnungen in Deutschland mit Gas (56 Prozent) oder Öl (19 Prozent) beheizt und weitere 15 Prozent mit Fernwärme. Erneuerbare Energiequellen zum Heizen von Wohngebäuden spielen im Gesamtbestand bislang eine untergeordnete Rolle. Wärmepumpen dominieren im Neubau (s. Destatis)
Die rechtlichen Grundzüge der Wärmewende bauen maßgeblich auf dem Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze (WPG, Federführung: Bundeswirtschafts- und Bundesbauministerium) für die Wärmepläne und dem Gebäudeenergiegesetz (GEG, Federführung Bundeswirtschafts- und Bundesbauministerium) für Heizungen.
Im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung eine Reform des GEG angekündigt. Bis 2045 will Deutschland nicht mehr mit Gas und Öl, sondern klimaneutral heizen – also mit dekarbonisierter Fernwärme, Wärmepumpen oder grünen Gasen.
Welche der drei Optionen in welcher Straße technisch und wirtschaftlich am sinnvollsten ist, ermitteln die Kommunen aktuell bei der kommunalen Wärmeplanung. Kommunen mit mehr als 100.000 Einwohner müssen ihre Wärmepläne bis 30. Juni 2026 vorlegen, Kommunen mit weniger als 100.000 Einwohnern bis zum 30. Juni 2028. Das regelt das WPG.
Sobald die Wärmepläne vorliegen bzw. spätestens zu den genannten Stichtagen greift das GEG. Es schreibt vor, dass auch in Bestandsgebäuden neue Heizungen mit mindestens 65 Prozent Erneuerbarer Energie betrieben werden sollen. Alternativ kann auch ein Anschluss an ein Wärmenetz der Fern- und Nahwärme erfolgen. Bestehende Öl- oder Gasheizung können weiter betrieben, kaputte Öl- und Gasheizungen repariert werden. Erst wenn keine Reparatur mehr möglich ist, müssen sie getauscht werden. Für den Umstieg auf Fernwärme, Wärmepumpe oder grüne Gase gelten mehrjährige Übergangsfristen und -Lösungen. Orientierung bei der Wahl der künftigen Heizung geben die Wärmepläne der Kommune.
Eine GEG-Reform ist auch notwendig, um die neue EU-Gebäuderichtlinie pünktlich bis zum 29. Mai 2026 in deutsches Recht umzusetzen. Sie schreibt einen verbindlichen nationalen Renovierungspfad für den Wohngebäudebestand vor, um die Energieeffizienz zu verbessern und den durchschnittlichen Primärenergieverbrauch bis 2030 um 16 Prozent und bis 2035 um 20 bis 22 Prozent zu senken. Mehr als die Hälfte der Einsparungen (55 Prozent) soll von den 43 Prozent der Wohngebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz kommen.
Hintergrund II: Fragebogendesign der Branchenumfrage
Die Umfrage wurden vom 26. August bis zum 15. September 2025 durchgeführt. 609 Stadtwerke und kommunale Energieversorger, die Mitglied im VKU sind, wurden per Mail angeschrieben. 164 Stadtwerke und kommunale Energieversorger nahmen teil. Das entspricht einer guten Rücklaufquote von 26,9 Prozent.
1. Was sind die größten Hindernisse auf dem Weg zu klimaneutralem Heizen? (Mehrfachantworten möglich)
Kosten für Bürger und Wirtschaft zu hoch: 82,4 Prozent
Finanzierung unklar (z.B. KWKG-Umlage): 46,6 Prozent
Finanzierung nicht ausreichend (z.B. BEW-Förderung für Fernwärme): 67,6 Prozent
Rechtslage unklar (z.B. offene GEG-Novelle): 54,7 Prozent
Zu viel Bürokratie und langwierige Genehmigungsprozesse: 58,1 Prozent
Mangelnde Akzeptanz in der Bevölkerung (Eigentümer und Mieter): 65,5 Prozent
Technische-topographische Hürden: 16,2 Prozent
2. Übernehmen Sie die Wärmeplanung für Ihre Kommune bzw. Ihr Versorgungsgebiet?
Ja: 45,7 Prozent
Ja, als Omnibus für viele kleine Kommunen im ländlichen Raum: 3,7 Prozent
Nein: 50,6 Prozent
3. Schafft Ihre Kommune die Wärmeplanung bis zum 30. Juni 2026 (Kommune über 100.000 Einwohner) bzw. bis 30. Juni 2028 (Kommune unter 100.000 Einwohner)?
Ja: 91,3 Prozent
Nein: 1,3 Prozent
weiß nicht: 7,5 Prozent
4. Mit Blick auf den aktuellen Stand der Wärmeplanung: Welche Technologie wird voraussichtlich die zentrale Rolle in Ihrem Versorgungsgebiet spielen?
(Mehrfachantworten möglich)
hauptsächlich Strom / Wärmepumpen: 38 Prozent
hauptsächlich Nah- und Fernwärme: 23 Prozent
hauptsächlich Grüne Gase (z.B. Biogas oder Wasserstoff): 5 Prozent
eine Mischung mit Fokus auf Fernwärme und Wärmepumpen: 48 Prozent
eine Mischung mit Fokus auf Wärmepumpe und grüne Gase: 4 Prozent
eine Mischung mit Fokus auf Fernwärme und grüne Gasen: 4 Prozent
eine Mischung zu gleichen Anteilen Fernwärme/Wärmepumpen/grüne Gase: 8 Prozent
Wir können noch keinen Zwischenstand mitteilen, alles offen: 10 Prozent
5. Wie viel wird Ihr Unternehmen voraussichtlich bis zum Jahr 2030 in klimaneutrale Wärme investieren – im Vergleich zum aktuellen Investitionsvolumen?
Deutlich weniger als das Investitionsvolumen von 2024 (weniger als 50 Prozent): 2,6 Prozent
Etwas weniger als das Investitionsvolumen von 2024 (10–50 Prozent weniger): 2,0 Prozent
Etwa gleich wie 2024 (±10 Prozent): 7,9 Prozent
Gleiches bis 1,5 -faches des Volumens von 2024: 14,5 Prozent
1,5-faches bis 2-faches des Volumens von 2024: 25,0 Prozent
Mehr als das 2-fache des Volumens von 2024: 48,0 Prozent
6. In welchem Bereich erwarten Sie in den nächsten Jahren die höchsten Investitionen?
Ausbau / Ertüchtigung der Stromnetze für Wärmepumpen: 35,8 Prozent
Ausbau / Verdichtung der Fern- und Nahwärmenetze: 57,6 Prozent
Stilllegung der Gasnetze: 0,0 Prozent
Umwidmung der Gasnetze für grüne Gase wie Wasserstoff: 0,0 Prozent
Andere: 6,0 Prozent
Keine: 0,7 Prozent
7. Was braucht Deutschland, um auf dem Weg zum klimaneutralen Heizen 2045 schneller voranzukommen? (Mehrfachantworten möglich)
Verlässliche und stetige Förderung – z.B. BEW, BEG, KWKG: 75,5 Prozent
Mehr Kosteneffizienz: 26,5 Prozent
Klarheit bei den rechtlichen Rahmenbedingungen (Wärmelieferverordnung, GEG-Novelle): 83,7 Prozent
Kompensationskonto zur Stilllegung der Gasnetze: 23,8 Prozent
Weniger Bürokratie und schnellere Genehmigung: 66,7 Prozent
Sonstiges: 9,5 Prozent
Quelle: PM VKU

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