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Jung, gesund – Bürgergeld? Union stellt mit „Neuer Grundsicherung“ drastische Änderungen vor

Jung, gesund – Bürgergeld? Union stellt mit „Neuer Grundsicherung“ drastische Änderungen vor

„Ein Sozialstaat, der vor Mitwirkungs- und Arbeitsverweigerern kapituliert, verliert an Zustimmung bei denen, die ihn mit ihren Beiträgen und Steuern erst ermöglichen.“

Sollte die Union im Herbst 2025 die Bundestagswahl gewinnen (in den Prognosen führt sie weiterhin mit großem Abstand von über 30 Prozent, gefolgt von AfD, SPD und Grünen), kündigt sie drastische Änderungen beim Bürgergeld an.

Dazu gehört ein neuer Name: „Neue Grundsicherung“. Dazu gehören scharfe Sanktionen bis hin zur vollständigen Streichung der Geldleistungen bei Totalverweigerung von Arbeit. Und dazu gehört auch, dass Bezieher auch von ihrem eigenen Vermögen leben sollen, wenn solches vorhanden ist.

Am heutigen Montag, 18. 3., stellte die Spitze der CDU ihre Pläne für eine „Neue Grundsicherung“ vor.

Auch NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann unterstützt das Konzept.

 „Der Name ‚Bürgergeld‘ führt in die Irre und ist Ausdruck des politischen Konzepts eines bedingungslosen Grundeinkommens„,

heißt in dem Konzept, das der CDU-Bundesvorstand laut Generalsekretär Carsten Linnemann einstimmig beschlossen hat.

In einer Pressemitteilung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird der stellv. Vorsitzende Hermann Gröhe wie folgt zitiert:

„Mit der Neuen Grundsicherung wollen wir die Qualifizierung und Vermittlung von Langzeitarbeitslosen spürbar verbessern.

In Zeiten des Arbeitskräftemangels möchten wir auch den Menschen eine Chance auf Teilhabe am Arbeitsmarkt eröffnen, die schon länger arbeitslos sind.

Hermann Gröhe. – Foto: CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Die allermeisten von ihnen wollen arbeiten. Häufig ohne Schul- oder Berufsabschluss oder ohne hinreichende Deutschkenntnisse bleibt ihnen zumeist nur Gelegenheitsarbeit im Niedriglohnsektor.

Auf dem Weg zu einer dauerhaft existenzsichernden Beschäftigung braucht es umfassende Betreuung und qualifizierende Unterstützung. Dazu müssen wir die Jobcenter endlich auskömmlich ausstatten.

Es muss Schluss sein mit der falschen Politik der Ampel, den Eingliederungstitel für Maßnahmen der Vermittlung in Arbeit als Spargroschen zu missbrauchen. Mehr Chancen auf Teilhabe und Eigenverantwortung machen einen starken Sozialstaat aus, nicht immer höhere Geldleistungen bei bloßer Verwaltung der Leistungsbezieher.                 

Fachliche Weiterbildungen und Spracherwerb wollen wir … auch berufsbegleitend organisieren, um Menschen schneller in Beschäftigung zu bringen. Für mehr Arbeitsanreize gestalten wir zudem die Hinzuverdienstmöglichkeiten attraktiver, damit den Menschen, die ihre Arbeitszeit erhöhen, auch mehr Geld übrigbleibt.

Wir setzen auf das Prinzip des Förderns und Forderns:

Ein Sozialstaat, der vor Mitwirkungs- und Arbeitsverweigerern kapituliert, verliert an Zustimmung bei denen, die ihn mit ihren Beiträgen und Steuern erst ermöglichen.

Daher erweitern wir die Sanktionsmöglichkeiten unter Ausschöpfung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in extremen Fällen bis hin zur vollständigen Leistungsverwirkung.

Wer arbeiten kann und eine angebotene Arbeit ablehnt, ist nicht bedürftig. Solidarität ist keine Einbahnstraße.

Sie nimmt auch Leistungsbezieher in die Pflicht, das ihnen Mögliche beizutragen. Dazu gehört neben der Einhaltung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten sowie von Terminen auch der vorrangige Einsatz des eigenen Vermögens, wenn ein solches vorhanden ist.“

Rund  5,5 Millionen Menschen in Deutschland beziehen aktuell Bürgergeld, die Nachfolge-Transferleistung von Hartz IV.

Seit dem 1. 1. 2024 bekommen Alleinstehende 563 Euro im Monat. Dazu kommen Miet- und Heizkosten. Die Steigerung entsprach einem Plus von 12 Prozent.

 Demnach beträgt der Satz

  • für Alleinstehende auf 563 Euro (plus 61 Euro)
  • für mit Partnern zusammenlebende Erwachsene auf 506 Euro (von bisher 451 Euro)
  • für Jugendliche (14-17 Jahre) von 420 auf 471 Euro,
  • für Kinder (7-13) auf 390 Euro (Plus 42 Euro),
  • für unter 7-Jährige auf  357 Euro (plus 39 Euro).

Den Bundeshaushalt und damit den Steuerzahler belastete die Erhöhung ab dem 1. 1. 2024 um zusätzlich 4,3 Milliarden Euro.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, SPD, rechtfertigte die deutliche Anhebung damit, dass das Bürgergeld auch in Zeiten hoher Inflation das Existenzminimum sichere. CDU/CSU sind gegen die Anhebung, sprechen von einem falschen Signal an Menschen, die ihren Lebensunterhalt durch Arbeit bestreiten und ebenfalls unter der Inflation leiden.

CDU-Chef Friedrich Merz etwa kritisierte, es gebe ein Problem mit dem Lohnabstandsgebot, nach dem Sozialleistungen spürbar unter den Löhnen liegen sollen. Arbeitsanreize sollten nicht verloren gehen, Arbeit solle sich lohnen.

AfD-Chefin Alice Weidel hatte das Bürgergeld als „Migrationsmagnet“ bezeichnet, Linke und Sozialverbände kritisierten die Anhebung dagegen mit Blick auf die hohen Lebensmittel und Energiepreise als zu spät und zu niedrig.

Empfängerquoten der Leistungen nach SGB II nach Nationalität, 2005 – 2022

Im Jahr 2022 waren 8,0 % der Bevölkerung im Alter zwischen 0 Jahren und der Regelaltersgrenze, also etwa jeder 12. Bürger, zur Sicherung des Lebensunterhalts auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) angewiesen.

Das Risiko, Leistungen der Grundsicherung (Arbeitslosengeld II und Sozialgeld, ab Januar 2023: Bürgergeld) beantragen zu müssen, ist in der Bevölkerung allerdings nicht gleich verteilt. So zeigen sich deutliche Abweichungen, wenn nach der Staatsangehörigkeit differenziert wird.

Die Abhängigkeit der Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit von Leistungen nach dem SGB II liegt im Jahr 2022 mit 4,7 % deutlich unterhalb der Empfängerquote der Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit mit 18,6 %. Dies war auch in den vorhergehenden Jahren der Fall.

Während die Quote der Personen mit deutschem Pass seit dem Jahr 2006 kontinuierlich sinkt, zeigt sich bei den Personen ohne deutschen Pass in der Tendenz ein wechselvolle Entwicklung. Insbesondere vom Jahr 2016 auf das Jahr 2017 kam es zu einem deutlichen Anstieg auf 19,7 %.

im Nachgang der starken Zuwanderung von Flüchtlingen der vorhergehenden Jahre (vgl. Abbildung VII.27). Seit dem Höhepunkt im Jahr 2017 war wieder ein Rückgang zu verzeichnen.

Im Jahr 2022 kam es erneut zu einem starken Anstieg auf 18,6 %. Dies dürfte mit der starken Fluchtbewegung der Ukrainer zu tun haben,
nachdem ihr Land ab Februar 2022 durch Russland angegriffen wird. Grundsätzlich werden Flüchtlinge nach Antrag auf Asyl über das Asylbewerberleistungsgesetz unterstützt bis Asyl gewährt wird. Für Flüchtende aus der Ukraine wurde jedoch Abweichendes beschlossen: Ab Juni 2022 erhalten sie Leistungen der Grundsicherung, sofern sie einen Aufenthaltstitel (nach § 24 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz) bzw. nach Antrag des Aufenthaltstitels vorübergehend eine Fiktionsbescheinigung vorweisen können. Somit zeigt sich die Fluchtbewegung der Ukrainer*innen deutlich schneller in den Zahlen des SGB II-Bezugs als es bei früheren Fluchtbewegungen der Fall war.

Die Ursachen für die hohe Grundsicherungsbedürftigkeit von Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit sind vielschichtig:

– Die Betroffenheit von Arbeitslosigkeit und insbesondere Langzeitarbeitslosigkeit ist hoch (vgl. Abbildung IV.85),
– teilweise ist die Nichterwerbstätigkeit der Ehefrauen stärker ausgeprägt,
– die im Schnitt höhere Kinderzahl in den Familienhaushalten führt zu zusätzlichen Einkommensbelastungen,
– soweit die Betroffenen erwerbstätig sind, weisen sie häufiger unterdurchschnittliche Verdienste auf und sind häufiger
auf Einkommensaufstockungen angewiesen.
Die oft prekäre Lebens- und Einkommenslage von Menschen ohne deutschen Pass macht sich auch in den hohen Armutsrisikoquoten bemerkbar.

Neben dem Unterschied nach Nationalität sind auch Unterschiede zwischen Regionen und dem Lebensalter Hintergrund.

Was ist das Bürgergeld?

Zum 1. Januar 2023 hat das Bürgergeld das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) abgelöst. Mit seiner Einführung, so die Bundesregierung auf ihrer Website, habe die Ampel

„… eine große Sozialreform auf den Weg gebracht: Menschen im Leistungsbezug sollen sich stärker auf Qualifizierung, Weiterbildung und Arbeitssuche konzentrieren können. Ziel ist vor allem, sie in dauerhafte Jobs zu vermitteln.“

Wichtige Regelungen, die seit 1. Juli gelten

Weiterbildung

Mit dem Bürgergeld wird die berufliche Weiterbildung stärker gefördert. Es gilt der Grundsatz „Ausbildung vor Aushilfsjob“.

  • Wer eine Weiterbildung mit Abschluss in Angriff nimmt, bekommt für erfolgreiche Zwischen – und Abschlussprüfungen eine Weiterbildungsprämie. Zusätzlich gibt es ein monatliches Weiterbildungsgeld in Höhe von 150 Euro.
  • Für andere Maßnahmen, die für eine nachhaltige Integration besonders wichtig sind, gibt es einen monatlichen Bürgergeldbonus von 75 Euro.
  • Es besteht die Möglichkeit, mehr Zeit zum Lernen zu bekommen. Das Nachholen eines Berufsabschlusses kann bei Bedarf auch unverkürzt gefördert werden.
  • Wer Grundkompetenzen benötigt, zum Beispiel bessere Lese-, Mathe- oder IT-Kenntnisse, kann diese leichter nachholen.

Kooperationsplan

Der Kooperationsplan löst schrittweise bis Ende 2023 die formale Eingliederungsvereinbarung ab. Er dient als „roter Faden“ für die Arbeitssuche und wird in verständlicher Sprache gemeinschaftlich von Jobcenter-Beschäftigten und Bürgergeld-Beziehenden erarbeitet. Der Kooperationsplan enthält keine Rechtsfolgenbelehrung.

Wenn bei der Erarbeitung des Kooperationsplans Meinungsverschiedenheiten auftreten, kann ein neues Schlichtungsverfahren weiterhelfen.

Ganzheitliche Betreuung – „Coaching“

Wer Bürgergeld bezieht, kann eine umfassende Betreuung (Coaching) als neues Angebot in Anspruch nehmen. Es hilft Leistungsberechtigten, die aufgrund vielfältiger individueller Probleme besondere Schwierigkeiten haben, Arbeit aufzunehmen. Auch jungen Menschen, die eine Ausbildung beginnen, soll ein Coaching ermöglicht werden.

Freibeträge für Erwerbstätige

Wer zwischen 520 und 1.000 Euro verdient, kann jetzt mehr von seinem Einkommen behalten. Die Freibeträge in diesem Bereich werden auf 30 statt bisher 20 Prozent angehoben. Das bedeutet bis zu 48 Euro mehr im Geldbeutel als bisher.

Zudem erhöhen sich die Freibeträge für Einkommen von Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden bis zur Minijob-Grenze von derzeit 520 Euro. Auch für Auszubildende gelten höhere Freibeträge für die Ausbildungsvergütung.

Wichtige Regelungen, die seit 1. Januar gelten

Erhöhung der Regelbedarfe

Mit dem Bürgergeld wurden die Berechnungen der Regelbedarfe auf eine neue Grundlage gestellt: Die Bedarfe werden seit 1. Januar 2023 nicht mehr rückwirkend, sondern vorausschauend an die Teuerungsraten angepasst. Dazu werden zusätzlich die aktuellsten verfügbaren Daten über die regelbedarfsrelevante Preisentwicklung berücksichtigt. Seit Jahresanfang erhält etwa ein alleinstehender Erwachsener 502 Euro – 53 Euro mehr als bisher.

Karenzzeit bei Wohnen und Vermögen

Damit sich die Leistungsberechtigten auf die Arbeitssuche konzentrieren können, gilt im ersten Jahr des Bürgergeldbezugs eine sogenannte Karenzzeit: Die Kosten für Unterkunft werden in tatsächlicher Höhe, die Heizkosten in angemessener Höhe anerkannt und übernommen. Zudem gibt es eine Härtefallregelung, wenn Wohneigentum weiterhin selbst genutzt wird.

Wer künftig auf Bürgergeld angewiesen ist, wird in der Karenzzeit zudem Erspartes behalten dürfen. So darf Vermögen erst ab 40.000 Euro angetastet werden, bei weiteren Personen in der Bedarfsgemeinschaft liegt die Grenze jeweils bei 15.000 Euro. Ist die Karenzzeit abgelaufen, wird eine entbürokratisierte Vermögensprüfung vorgenommen.

Kein Vermittlungsvorrang mehr

Der sogenannte Vermittlungsvorrang wurde aufgehoben, also die bevorzugte Vermittlung in Erwerbstätigkeit. Weiterbildung und der Erwerb eines Berufsabschlusses stehen beim Bürgergeld im Vordergrund.

Sanktionen bei Pflichtverletzungen

Leistungsminderungen bei Pflichtverletzungen und Meldeversäumnissen sind von Beginn des Leistungsbezugs an möglich. Bei einem Meldeversäumnis wird der Regelbedarf um zehn Prozent für einen Monat gemindert.

Bei der ersten Pflichtverletzung, etwa der Ablehnung eines zumutbaren Arbeitsangebotes, wird der Regelbedarf um zehn Prozent für einen Monat gemindert. Bei einer zweiten Pflichtverletzung sind es 20 Prozent für zwei Monate und in der dritten Stufe 30 Prozent für drei Monate.

Mehr Details zu den Regelungen des Bürgergeld-Gesetzes finden Sie beim Bundesarbeitsministerium.

 

 

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