Wenige Wochen nach seiner Gründung als Partei ist das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ in der Wählergunst bereits deutlich an der Linken, den Freien Wählern und der FDP vorbeigezogen.
In einer am Samstag (17. 2.) veröffentlichten neuen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa kommt die junge Partei bereits auf 8 % der Wählerstimmen, erneut ein Plus im Vergleich zu den vorherigen Wochen.
Die CDU bleibt klar vorn mit 31 Prozent, die Parteien der Ampel verändern sich in der Wählergunst ebenfalls kaum, Ähnliches gilt für die AfD, die mit 19 Prozent zweitstärkste Kraft bleibt. Linke und FDP wären, würde an diesem Sonntag gewählt, wahrscheinlich nicht mehr im Bundestag vertreten.
- Screenshot / Quelle wahlrecht.de
Das neue Bündnis um die frühere Linken-Spitzenpolitikerin Sahra Wagenknecht will bereits zur Europawahl Anfang Juni antreten und hat dazu eine eigenes Europawahlprogramm auf seiner Website veröffentlicht.
Das Programm generell umfasst auf 4 Seiten folgende Punkte:
Unser Land ist in keiner guten Verfassung.
Seit Jahren wird an den Wünschen der
Mehrheit vorbei regiert. Statt Leistung zu
belohnen, wurde von den Fleißigen zu den
oberen Zehntausend umverteilt. Statt in einen
kompetenten Staat und gute öffentliche Dienste
zu investieren, haben Politiker die Wünsche
einflussreicher Lobbys bedient und dadurch
die öffentlichen Kassen geleert. Statt Freiheit
und Meinungsvielfalt zu achten, macht sich
ein autoritärer Politikstil breit, der den Bürgern
vorschreiben will, wie sie zu leben, zu heizen, zu
denken und zu sprechen haben. Viele politische
Entscheidungen wirken planlos, kurzsichtig
und teilweise schlicht inkompetent. Ohne einen
Neuanfang stehen unsere Industrie und unser
Mittelstand auf dem Spiel.
Viele Menschen haben das Vertrauen in den
Staat verloren und fühlen sich durch keine
der vorhandenen Parteien mehr vertreten. Sie
haben zu Recht den Eindruck, nicht mehr in
dem Land zu leben, das die Bundesrepublik
einmal war. Sie machen sich Sorgen um ihre
und die Zukunft ihrer Kinder. Sie wünschen sich
eine verantwortungsvolle Politik für den Erhalt
unserer wirtschaftlichen Stärken, für sozialen
Ausgleich und eine gerechte Verteilung des
Wohlstands, für ein friedliches Zusammenleben
der Völker und die Bewahrung unserer
natürlichen Lebensgrundlagen.
„Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und
Gerechtigkeit“ wurde gegründet, um diesen
Menschen wieder eine Stimme zu geben.
Wir stehen für eine Rückkehr der Vernunft in
die Politik. Deutschland braucht eine starke,
innovative Wirtschaft und soziale Gerechtigkeit,
Frieden und fairen Handel, Respekt vor
der individuellen Freiheit seiner Bürger und
eine offene Diskussionskultur. Es braucht
verlässliche Politiker, die sich diesen Zielen
verpflichtet fühlen.
Die Mitglieder der Partei unterstützen folgende
Grundsätze und Ziele:
Wirtschaftliche Vernunft
Noch hat unser Land eine solide Industrie und
einen erfolgreichen, innovativen Mittelstand.
Aber die Rahmenbedingungen haben sich in
den letzten Jahren dramatisch verschlechtert.
Unsere öffentliche Infrastruktur ist in einer
für ein führendes Industrieland blamablen
Verfassung. Kaum ein Zug fährt pünktlich, als
Kassenpatient wartet man Monate auf einen
Facharzttermin, Zigtausende Lehrer, Kitaplätze
und Wohnungen fehlen. Marode Straßen
und Brücken, Funklöcher und langsames
Internet, überforderte Verwaltungen und
unnütze Vorschriften machen gerade kleinen
und mittelgroßen Unternehmen das Leben
schwer. Das deutsche Schulsystem mit 16
unterschiedlichen Lehrplänen, viel zu großen
Klassen und frühzeitiger Selektion verweigert
Kindern aus weniger begüterten Familien
Bildungs- und Lebenschancen und versagt
zugleich vor der Aufgabe, die von der Wirtschaft
dringend benötigten Fachkräfte auszubilden.
Seit durch die Russlandsanktionen und
vermeintliche Klimapolitik auch noch Energie
schlagartig teurer wurde, droht unserem
Land der Verlust wichtiger Industrien und
hunderttausender gutbezahlter Arbeitsplätze.
Viele Unternehmen erwägen eine Verlagerung
ihrer Produktion ins Ausland. Andere sind in
ihrer Existenz bedroht.
Von Konzernen beeinflusste und gekaufte
Politik und das Versagen der Kartellbehörden
haben eine Marktwirtschaft geschaffen, in der
viele Märkte nicht mehr funktionieren.
Es sind marktbeherrschende
Großunternehmen, übermächtige
Finanzkonzerne wie Blackrock und übergriffige
Digitalmonopolisten wie Amazon, Alphabet,
Facebook, Microsoft und Apple entstanden,
die allen anderen Marktteilnehmern ihren Tribut
auferlegen, Wettbewerb untergraben und die
Demokratie zerstören. Zu einem beachtlichen
Teil ist die aktuelle Inflation auch Ergebnis
eines durch zu große wirtschaftliche Macht
verursachten Marktversagens.
Wir streben eine innovative Wirtschaft mit
fairem Wettbewerb, gut bezahlten sicheren
Arbeitsplätzen, einem hohen Anteil industrieller
Wertschöpfung, einem gerechten Steuersystem
und einem starken Mittelstand an. Dafür
wollen wir Marktmacht begrenzen und
marktbeherrschende Konzerne entflechten.
Wo Monopole unvermeidlich sind, müssen
die Aufgaben gemeinnützigen Anbietern
übertragen werden. Die deutsche Industrie ist
das Rückgrat unseres Wohlstands und muss
erhalten bleiben. Wir brauchen wieder mehr
Zukunftstechnologien made in Germany, mehr
hidden champions und nicht weniger.
Um den wirtschaftlichen Abstieg unseres
Landes zu verhindern, sind massive
Investitionen in unser Bildungssystem, unsere
öffentliche Infrastruktur und in kompetente,
effektive Verwaltungen notwendig. Wir
brauchen Zukunftsfonds zur Förderung
innovativer heimischer Unternehmen und
Start-ups und nicht Milliardensubventionen
für Konzerne aus Übersee. Deutschland als
exportstarkes und rohstoffarmes Land braucht
eine Außenwirtschaftspolitik, die auf stabile
Handelsbeziehungen mit möglichst vielen
Partnern statt auf neue Blockbildung und
ausufernde Sanktionen setzt und die unsere
Versorgung mit Rohstoffen und preiswerter
Energie sicherstellt.
Klima
Die Veränderung des Weltklimas und
die Zerstörung unserer natürlichen
Lebensgrundlagen sind ernste
Herausforderungen, die die Politik nicht
ignorieren darf.
Zu einer seriösen Klima- und
Umweltpolitik gehört aber Ehrlichkeit: Die
Energieversorgung Deutschlands lässt sich
im Rahmen der heutigen Technologien nicht
allein durch erneuerbare Energien sichern.
Blinder Aktivismus und undurchdachte
Maßnahmen helfen dem Klima nicht, aber sie
gefährden unsere wirtschaftliche Substanz,
verteuern das Leben der Menschen und
untergraben die öffentliche Akzeptanz
von sinnvollen Klimaschutzmaßnahmen.
Der wichtigste Beitrag, den ein Land wie
Deutschland zur Bekämpfung von Klimawandel
und Umweltzerstörung leisten kann, ist die
Entwicklung innovativer Schlüsseltechnologien
für eine klimaneutrale und naturverträgliche
Wirtschaft der Zukunft.
Soziale Gerechtigkeit
Seit Jahren wächst in unserem Land die
Ungleichheit. Millionen Menschen arbeiten
hart, um sich und ihren Familien ein gutes
Leben zu ermöglichen. Sie sind es, die
unsere Gesellschaft am Laufen halten und
einen Großteil der Steuern zahlen. Statt
dafür den gebührenden Respekt und soziale
Sicherheit zu erhalten, ist ihr Leben in den
zurückliegenden Jahrzehnten unsicherer und
schwerer geworden. Viele kommen trotz
Vollzeitjob mit ihrem Einkommen kaum noch
über den Monat. Das Aufstiegsversprechen
der sozialen Marktwirtschaft gilt nicht mehr,
der persönliche Wohlstand hängt längst wieder
vor allem vom sozialen Status der Eltern ab.
Die Vermögenskonzentration in Deutschland
ist heute so hoch wie vor Beginn des Ersten
Weltkriegs, als in Berlin noch der Kaiser regierte.
Während Konzerne sogar in Krisenzeiten
Rekorddividenden ausschütten, werden die
Schlangen an den Tafeln immer länger.
Auch wer jahrelang gearbeitet und in die
Sozialversicherung eingezahlt hat, wird schon
nach einem Jahr Arbeitslosigkeit wie ein
Bittsteller behandelt. Weil Kita-Plätze fehlen
und unsere Gesellschaft alles andere als
familienfreundlich ist, leben besonders häufig
Alleinerziehende und ihre Kinder in Armut,
die durch die Umbenennung von Hartz IV
in „Bürgergeld“ nicht erträglicher geworden
ist. Millionen ältere Menschen können nach
einem langen Arbeitsleben ihren Ruhestand
nicht genießen, weil ihre Renten demütigend
gering ausfallen.
Wohnungen, Krankenhäuser,
Pflegeeinrichtungen, Arztpraxen und viele
andere wichtige gesellschaftliche Einrichtungen
wurden und werden an Renditejäger
verscherbelt. Seither steigen die Kosten,
während die Qualität der Leistungen für die
Mehrheit der Menschen sinkt.
Wir wollen den Zerfall des gesellschaftlichen
Zusammenhalts stoppen und die Politik wieder
am Gemeinwohl ausrichten. Unser Ziel ist
eine faire Leistungsgesellschaft mit echter
Chancengleichheit und einem hohen Grad
an sozialer Sicherheit. Eine hochproduktive
Wirtschaft braucht qualifizierte und motivierte
Beschäftigte. Die Voraussetzung dafür sind
leistungsgerechte Löhne, sichere Arbeitsplätze
und gute Arbeitsbedingungen. Das gilt auch
für Beschäftigte in den Serviceberufen, die
ebenso wichtig für unsere Gesellschaft sind
wie gute Ingenieure und Mechatroniker.
Um Lohndrückerei zu verhindern, sollte
die Tarifbindung wieder gestärkt und die
Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen
erleichtert werden. Wir unterstützen die
Beschäftigten, ihre Gewerkschaften und
Betriebs- bzw. Personalräte in ihrem Einsatz für
Arbeitnehmerrechte und gute Arbeit.
Zugleich braucht unser Land einen
zuverlässigen Sozialstaat, der Zukunftsängste
abbaut und vor einem sozialen Absturz
im Falle von Krankheit, Arbeitslosigkeit
und im Alter schützt. Die Privatisierung
und Kommerzialisierung existentieller
Dienstleistungen, etwa im Bereich Gesundheit,
Pflege oder Wohnen, muss gestoppt werden,
gemeinnützige Anbieter sollten in diesen
Branchen Vorrang haben. Notwendig ist ein
gerechtes Steuersystem, das Geringverdiener
entlastet und verhindert, dass große Konzerne
und sehr reiche Privatpersonen sich ihrem
angemessenen Anteil an der Finanzierung des
Gemeinwesens entziehen können.
Der persönliche Wohlstand darf keine Frage der
sozialen Herkunft, sondern muss das Ergebnis
von Fleiß und individueller Anstrengung sein.
Jedes Kind hat Anspruch darauf, dass seine
Talente entdeckt und gefördert werden.
Frieden
Unsere Außenpolitik steht in der Tradition
des Bundeskanzlers Willy Brandt und
des sowjetischen Präsidenten Michail
Gorbatschow, die dem Denken und Handeln
in der Logik des Kalten Krieges eine Politik
der Entspannung, des Interessenausgleichs
und der internationalen Zusammenarbeit
entgegengesetzt haben.
Die Lösung von Konflikten mit militärischen Mitteln lehnen wir grundsätzlich ab.
Wir wehren uns dagegen,
dass immer mehr Ressourcen in Waffen und
Kriegsgerät fließen, statt in die Bildung unserer
Kinder, die Erforschung umweltschonender
Technologien oder unsere Gesundheits- und
Pflegeeinrichtungen. Atomare Aufrüstung
und eskalierende Konflikte zwischen den
Atommächten setzen das Überleben der
Menschheit aufs Spiel und müssen beendet
werden. Wir streben eine neue Ära der
Entspannung und neue Verträge über
Abrüstung und gemeinsame Sicherheit an.
Die Bundeswehr hat den Auftrag, unser Land
zu verteidigen. Für diese Aufgabe muss sie
angemessen ausgerüstet sein.
Den Einsatz deutscher Soldaten in
internationalen Kriegen lehnen wir ebenso ab
wie ihre Stationierung an der russischen Grenze
oder im Südchinesischen Meer.
Eine Militärallianz, deren Führungsmacht in
den zurückliegenden Jahren fünf Länder
völkerrechtswidrig überfallen und in diesen
Kriegen mehr als 1 Million Menschen
getötet hat, schürt Bedrohungsgefühle und
Abwehrreaktionen und trägt so zu globaler
Instabilität bei. Statt eines Machtinstruments für
geopolitische Ziele brauchen wir ein defensiv
ausgerichtetes Verteidigungsbündnis, das die
Grundsätze der UN-Charta achtet, Abrüstung
anstrebt, statt zu Aufrüstung zu verpflichten,
und in dem sich die Mitglieder auf Augenhöhe
begegnen. Europa benötigt eine stabile
Sicherheitsarchitektur, die längerfristig auch
Russland einschließen sollte.
Unser Land verdient eine selbstbewusste
Politik, die das Wohlergehen seiner Bürger
in den Mittelpunkt stellt und von der Einsicht
getragen ist, dass US-amerikanische Interessen
sich von unseren Interessen teilweise
erheblich unterscheiden. Unser Ziel ist ein
eigenständiges Europa souveräner Demokratien
in einer multipolaren Welt und keine neue
Blockkonfrontation, in der Europa zwischen
den USA und dem sich immer selbstbewusster
formierenden neuen Machtblock um China und
Russland zerrieben wird.
Freiheit
Wir wollen die demokratische Willensbildung
wiederbeleben, demokratische Mitbestimmung
ausweiten und persönliche Freiheit
schützen. Rechtsextreme, rassistische und
gewaltbereite Ideologien jeder Art lehnen
wir ab. Cancel Culture, Konformitätsdruck
und die zunehmende Verengung des
Meinungsspektrums sind unvereinbar mit
den Grundsätzen einer freien Gesellschaft.
Das Gleiche gilt für den neuen politischen
Autoritarismus, der sich anmaßt, Menschen zu
erziehen und ihren Lebensstil oder ihre Sprache
zu reglementieren. Wir verurteilen Versuche zur
umfassenden Überwachung und Manipulation
der Menschen durch Konzerne, Geheimdienste
und Regierungen.
Migration
Zuwanderung und das Miteinander
unterschiedlicher Kulturen können eine
Bereicherung sein. Das gilt aber nur, solange
der Zuzug auf eine Größenordnung begrenzt
bleibt, die unser Land und seine Infrastruktur
nicht überfordert, und sofern Integration
aktiv gefördert wird und gelingt. Wir wissen:
Den Preis für verschärfte Konkurrenz um
bezahlbaren Wohnraum, um Jobs mit niedrigen
Löhnen und für eine misslungene Integration
zahlen in erster Linie diejenigen, die nicht
auf der Sonnenseite des Lebens stehen.
Wer in seiner Heimat politisch verfolgt wird,
hat Anspruch auf Asyl. Aber Migration ist
nicht die Lösung für das Problem der Armut
auf unserer Welt. Stattdessen brauchen wir
faire Weltwirtschaftsbeziehungen und eine
Politik, die sich um mehr Perspektiven in den
Heimatländern bemüht.
Eine Gesellschaft, deren mächtigste Akteure
nur noch von der Motivation getrieben sind,
aus Geld mehr Geld zu machen, führt zu
wachsender Ungleichheit, zur Zerstörung
unserer natürlichen Lebensgrundlagen und
zu Krieg. Wir setzen dem unsere Ideen von
Gemeinsinn, Verantwortung und Miteinander
entgegen, denen wir durch Veränderung der
Machtverhältnisse wieder eine Chance geben
möchten. Unser Ziel ist eine Gesellschaft, in der
das Gemeinwohl höher steht als egoistische
Interessen und in der nicht Trickser und
Spieler gewinnen, sondern diejenigen, die sich
anstrengen und gute, ehrliche und solide
Arbeit leisten.“
https://bsw-vg.de/wp-content/uploads/2024/01/BSW_Parteiprogramm.pdf
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