âBereit, wieder in den Beginner-Modus zu schalten“:
 Kathleen Höhn (38) und Mark Ansorg (44) sind zwei von etwa 100 Auszubildenden im Bezirk der Handwerkskammer (HWK) Dortmund, die ĂŒber 35 Jahre alt sind. Beide haben sich fĂŒr eine Ausbildung im Handwerk entschieden und schlagen damit jeweils einen neuen Karriereweg ein.
Mit einem breiten LĂ€cheln im Gesicht und einem Hemd voll mit SĂ€gespĂ€nen lĂ€uft Mark Ansorg durch die Werkstatt. Kurz vor Feierabend wird das Radio etwas lauter gedreht. Es riecht nach Holz. Ansorg ist im 3. Lehrjahr zum Tischler, im Sommer steht die AbschlussprĂŒfung an. Wieso er mit Anfang 40 nochmal eine Ausbildung im Handwerk angefangen hat? âEs war klar, dass ich nicht den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen wollte“, antwortet Ansorg.
Der 44-JĂ€hrige blickt bereits auf eine Karriere als Fotograf zurĂŒck. Nach dem abgeschlossenen Fotografie-Studium an der Fachhochschule Dortmund 2008 machte er sich selbststĂ€ndig. Er spezialisierte sich auf PortrĂ€tfotografie und arbeitete fĂŒr Unternehmen und Magazine.
âAls Fotograf ist man ein EinzelkĂ€mpfer, aber es gibt auch viele Freiheiten. Dem gegenĂŒber stand aber auch eine gewisse wirtschaftliche Unsicherheit“, erklĂ€rt der angehende Tischler. WĂ€hrend der Corona-Pandemie entschloss Ansorg, sich beruflich umzuorientieren. Er ist Vater von zwei Kindern im Alter von neun und elf Jahren. Mit der Elternschaft hĂ€tten sich seine PrioritĂ€ten verĂ€ndert. Und auĂerdem stecke es in ihm, etwas Neues auszuprobieren, erzĂ€hlt er.
Bereits privat hĂ€tte Ansorg gerne kleine Möbel gebaut und mit Holz gearbeitet, daher sei sein Interesse an einer Tischler-Ausbildung schnell geweckt gewesen. Nach mehreren Praktika wurde ihm ein Ausbildungsplatz bei der Tischlerei 3form in der NĂ€he des Phoenix-Sees in Dortmund angeboten. Der Betrieb wurde 2005 gegrĂŒndet und gestaltet Raumkonzepte fĂŒr GeschĂ€fts-, aber auch Privatkunden. Aktuell sind dort fĂŒnf Mitarbeiter sowie zwei Auszubildende beschĂ€ftigt.
Höhere körperliche Anforderung
Der ehemalige Fotograf ist jetzt im dritten Lehrjahr und hat SpaĂ an der Arbeit. Trotzdem sei es eine harte Schule, nochmal eine Ausbildung zu machen, sagt er und ergĂ€nzt: âMan muss schon bereit sein, wieder in den Beginner-Modus zu schalten.“ FrĂŒher sei er nach der Arbeit nochmal durch den Park gelaufen, das sei jetzt anders. Er sei viel in Bewegung und sein Körper wĂŒrde durch die Arbeit auch ganz anders beansprucht. Aber der 44-JĂ€hrige bleibt gelassen: âMan gewöhnt sich daran.“
Ansorg erhĂ€lt ein branchenĂŒbliches Ausbildungsgehalt, UnterstĂŒtzung aus einer staatlichen Förderung bekommt er nicht. FĂŒr die Differenz habe er seine Spardose geplĂŒndert. Wieso er diese finanzielle Situation trotzdem eingegangen ist? Er sehe die langfristige Perspektive einer Festanstellung in dieser Branche. Das habe einfach seine VorzĂŒge und sei damit attraktiver fĂŒr ihn und seine Familie. Ein weiterer Grund: âWenn ich sehe, dass der Kunde happy mit seinem neuen Sideboard oder der neuen Treppe ist, dann gehe ich mit einem guten GefĂŒhl nach Hause.“
Von der Gastronomie ins Handwerk

Augenoptikerin_Kathleen Hoehn. – HWK DO
Eine neue berufliche Perspektive im Handwerk hat sich auch fĂŒr Kathleen Hoehn aufgetan. Die 38-JĂ€hrige hat im August 2022 die Ausbildung zur Augenoptikerin beim Bochumer Betrieb Kock Brillen angefangen. Zuvor hat sie Philosophie und Germanistik an der Ruhr-UniversitĂ€t Bochum studiert und bereits im Studium angefangen, in der Gastronomie zu arbeiten.
WĂ€hrend der Corona-Pandemie wurde die Gastronomie einschneidend heruntergefahren und so auch das Restaurant, in dem sie arbeitete, fĂŒr sieben Monate zeitweise geschlossen. Sie spielte schlieĂlich mit dem Gedanken noch eine duale Ausbildung zu machen: âIch habe ĂŒberlegt, was ich gerne mag und ich halte mich fĂŒr handwerklich geschickt. Ich interessiere mich aber auch fĂŒr Mode und Kunst. AuĂerdem liegen noch einige Jahre bis zur Rente vor mir.“
Wieso sie sich fĂŒr diese Ausbildung entschieden hat? âAch, ich fand schon immer, dass Augenoptikerin ein schöner Beruf ist. Ich habe es mir auch nicht einfach vorgestellt, nochmal zur Schule zu gehen. Vieles hat aber dafĂŒrgesprochen“, erwidert Hoehn schnell. Sie ist selbst BrillentrĂ€gerin und durch ihre Erfahrung in der Gastronomie fiele es ihr auch leicht, mit Kunden zu sprechen.
âIch habe gezielt auf der Homepage der Handwerkskammer nach Betrieben gesucht, Bewerbungen verschickt und war im Kontakt mit der Ausbildungsberatung der HWK Dortmund“, berichtet die 38-JĂ€hrige. Kurz darauf habe sich der Betrieb bei ihr gemeldet. Kock Brillen hat zwei Filialen im Bochum, dort hatte sie vorab die Möglichkeit mal ĂŒber ein Praktikum reinzuschnuppern.
Die Auszubildende vermisst manchmal die alten Kolleginnen und Kollegen aus dem Restaurant. Aber diese seien sich einig gewesen, dass der neue Beruf sehr gut zu ihr passe und wĂŒnschten ihr viel Erfolg. Das Fazit bisher:
âEs gefĂ€llt mir sehr gut, ich habe viel Freude an dem, was ich tĂ€glich Neues dazulerne und auch mit den MitschĂŒlern komme ich gut zurecht. Mathematik ist mir mit 17 Jahren aber noch etwas leichter gefallen“, berichtet sie und lacht.
Den meisten SpaĂ habe sie aktuell in der Werkstatt, dort lerne sie die verschiedenen Materialien kennen, die bei Brillen verarbeitet wĂŒrden. Die Anforderungen fĂŒr diesen Beruf seien wirklich hoch. Hoehn ergĂ€nzt: âWenn jemand in seinem Beruf nicht glĂŒcklich ist, sollte man weitersuchen, was noch so alles in einem steckt, vielleicht, welche Interessen und StĂ€rken noch in einem verborgen sind.“ Wichtig sei es, offen fĂŒr etwas Neues zu bleiben.
Kontakt
HWK-Ausbildungsberatung
T 0231 5493-333
ausbildungsberatung@hwk-do.de
Kommentare