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Asyl, Islam, Atom: Entwurf für neues, konservativeres CDU-Grundsatzprogramm übt Abkehr von Merkel

Asyl, Islam, Atom: Entwurf für neues, konservativeres CDU-Grundsatzprogramm übt Abkehr von Merkel

(Kanzlerin a.D. Angela Merkel (CDU) bei einer ihrer Pressekonferenzen zu den Corona-Beschlüssen 2021 - Screenshot vom 18. 11. 2021)

Die Bundes-CDU hat am heutigen Montag, 11. Dezember, einen Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm vorgestellt. Es enthält weitreichende Änderungen in der Asyl- und Migrationspolitik, Bekenntnisse zu Atomkraft und deutscher Leitkultur, Reformen in der Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik.

Das rund 70-seitige Papier trägt den Titel „In Freiheit leben. Deutschland sicher in die Zukunft führen“.

Generalsekretär Carsten Linnemann hatte die Federführung für die neue Programmatik.

„Sollte es zu einer vorgezogenen Bundestagswahl kommen, wären wir bereit“,

sagte Linnemann bei der Vorstellung heute vor der Presse in Berlin.

Screenshot aus der Pressekonferenz zum Entwurf der neuen CDU-Grundsätze.

 Die Menschen in Deutschland seien verunsichert und bräuchten Orientierung und Halt. „Und wir werden mit diesem Grundsatzprogramm diese Orientierung geben.“

Sein Stellvertreter in der Grundsatzkommission, Thüringens CDU-Chef Mario Voigt, sagte, das Programm zeige, dass die Partei sich auf alte Stärken zurückbesinnen und zugleich neue Themen aufgreifen wolle. Dabei definiert sich die CDU als „Volkspartei der Mitte und Partei des Gemeinwohls“.

Die CDU beschreibt in ihrem Entwurf einen für manche überraschend radikalen Systemwechsel in der Asylpolitik, Bekenntnisse zu einer deutschen Leitkultur und zur Atomkraft sowie Reformen in der Renten- und Arbeitsmarktpolitik.

Die Kernpunkte im Überblick:

Migration

Jeder, der in Europa Asyl beantragt, soll in einen sicheren Drittstaat überführt werden und dort ein Verfahren durchlaufen. „Im Falle eines positiven Ausgangs wird der sichere Drittstaat dem Antragsteller vor Ort Schutz gewähren.“ Mit sicheren Drittstaaten solle eine umfassende vertragliche Vereinbarung geschlossen werden. Im Anschluss würde „eine Koalition der Willigen innerhalb der EU jährlich ein Kontingent schutzbedürftiger Menschen aus dem Ausland“ aufnehmen und auf die „Koalitionäre“ verteilen. Mit einem humanitären Kontingent würde es eine Obergrenze für den Zuzug geben.

Leitkultur und Islam

„Alle, die hier leben wollen, müssen unsere Leitkultur ohne Wenn und Aber anerkennen.“ Dazu gehörten die Achtung der Würde jedes Menschen, der Grund- und Menschenrechte, des Rechtsstaats, des Respekts und der Toleranz sowie die Anerkennung des Existenzrechts Israels. „Nur wer sich zu unserer Leitkultur bekennt, kann sich integrieren und deutscher Staatsbürger werden.“

Der Kampf gelte denen, die Hass und Gewalt schürten und eine islamistische Ordnung anstrebten. „Die Scharia gehört nicht zu Deutschland.“ Im Entwurf heißt es:

„Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland.“

Die CDU grenzt sich damit auch von einem Satz des damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff (CDU) ab, der 2010 gesagt hatte: „Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“

Der Entwurf sieht ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr für alle Schulabgänger auf Grundlage einer einheitlichen Regelung vor. Dies sei „eine große Chance, den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu stärken“. Jedes Kind solle im Alter von vier Jahren einen einheitlichen und verpflichtenden Sprachtest machen.

Rente

Wenn die Rente finanzierbar gehalten werden solle, „spricht viel dafür, dass die Lebensarbeitszeit für diejenigen, die arbeiten können, steigen muss, und folglich die Regelaltersgrenze an die Lebenserwartung gekoppelt wird“. Für alle solle eine verpflichtende kapitalgedeckte Altersvorsorge eingeführt werden – Menschen mit geringem Einkommen müssten Zuschüsse vom Staat bekommen. Um Arbeit im Alter attraktiv zu machen, solle eine „Aktivrente“ eingeführt werden. Wer nach dem Erreichen des gesetzlichen Rentenalters freiwillig weiterarbeiten wolle, solle sein Gehalt bis zu einem bestimmten Betrag steuerfrei bekommen.

Staatsfinanzen

Zur Generationengerechtigkeit gehöre als ein Garant die Schuldenbremse. Schattenhaushalte wie schuldenfinanzierte Sondervermögen werden grundsätzlich abgelehnt, „dürfen nur in äußersten Ausnahmefällen eingerichtet und später nicht für andere Zwecke umgewidmet werden.

Arbeit

Überstunden bei Vollzeit sollen steuerfrei sein, mittlere und geringe Einkommen sollen entlastet, arbeitende Rentner steuerlich besser gestellt werden. „Wer Sozialleistung erhält und arbeiten kann, soll arbeiten.“ Wer mehr arbeiten wolle als bisher, solle dazu attraktive Rahmenbedingungen vorfinden.

Energie: Gas und Atom

Statt auf Kohle will die CDU wieder auf Gas setzen, um die Grundlast zu sichern. Dazu seien neue Gaskraftwerke nötig. Außerdem erklärt die CDU für sich einen Ausstieg aus dem Atomausstieg, seinerzeit unter CDU-Kanzlerin Merkel unter dem Eindruck der Fukushima-Reaktorkatastrophe überstürzt vollzogen;

„Deutschland kann zurzeit nicht auf die Option Kernkraft verzichten.“

 

Gendern

In „allen Behörden, Schulen, Universitäten und anderen staatlichen Einrichtungen sowie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk darf „keine grammatikalisch falsche Gender-Sprache verwendet werden“. Das ist oftmals bei Partizipformen wie „Studierende“ der Fall – ein an einer Hochschule eingeschriebener Mensch ist nach sprachlich korrekter Anwendung nur in dem Moment ein  „Studierender“, wenn er studiert, also im Hörsaal sitzt oder an seinem Schreibtisch über seinen Büchern büffelt. Feiert dieselbe Person abends eine Semesterparty, ist sie ein „Feiernder, Trinkender, Tanzender“ etc..

Offiziell soll der CDU-Vorstand das neue Grundsatzprogramm bei einer Klausur am 12. und 13. Januar in Heidelberg beschließen, bevor es von den 1001 Delegierten auf dem Parteitag im Mai verabschiedet wird.  Linnemann rechnet mit bis zu 1000 Änderungsanträgen.

Hier die Pressemitteilung der CDU im Wortlaut.

Die CDU hatte den Prozess zu einem neuen Grundsatzprogramm nach dem Machtverlust bei der Bundestagswahl 2021 angestoßen. Das aktuelle Grundsatzprogramm stammt noch von 2007.

Vor rund zwei Jahren hat die CDU sich auf den Weg gemacht, sich ein neues Grundsatzprogramm zu geben. In dieser Zeit hat die Programm- und Grundsatzkommission die Grundsätze und Positionen der CDU Deutschlands fortgeschrieben und weiterentwickelt. Heute ist für dieses Programm ein wichtiger Meilenstein: Der Entwurf wurde dem Bundesvorstand vorgelegt.

„Die CDU ist wieder regierungsfähig. Sollte es zu einer vorgezogenen Bundestagswahl kommen, wären wir bereit. Mit unserem Grundsatzprogramm bieten wir den Menschen Orientierung.“

– Carsten Linnemann

Die verlorene Bundestagswahl 2021 war für die CDU ein tiefer Einschnitt. Carsten Linnemann fasst die Lage zusammen: „Wir haben nicht gejammert, sondern wir haben angepackt und haben hart gearbeitet. Und das Ergebnis sehen wir heute: Der erste Entwurf der Programm- und Grundsatzkommission. Für das vierte Grundsatzprogramm in der Geschichte der CDU Deutschlands.“ Vertrauen zurückgewinnen – so die Devise. Im Mittelpunkt steht der Mensch.

„Das Grundsatzprogramm steht und fällt mit dem christlichen Menschenbild. Das ist unsere Richtschnur für die Politik, die wir machen. Wir gehen immer vom einzelnen Menschen aus, nie vom Kollektiv, nie von oben herab.“

Der Auftrag der CDU: einen Rahmen zu setzen, innerhalb dessen sich die Menschen frei und sicher bewegen können. Das gilt umso mehr in einer Zeit, die von Krisen und Konflikten geprägt ist. Drei Themen spielen im Grundsatzprogramm eine große Rolle: Freiheit und Sicherheit, Aufbruch und Erneuerung sowie Zusammenhalt und Gemeinschaft.

Freiheit und Sicherheit

Mario Voigt stellt stellvertretend das Thema „Freiheit und Sicherheit“ vor. Die CDU versteht Sicherheit umfassend. Der Landeschef der CDU Thüringen ist überzeugt: „Nur wer sich sicher fühlt, kann tatsächlich auch frei sein.“ Dazu gehört innere und äußere Sicherheit. Die CDU tritt ein für „sichere Arbeitsplätze, sichere Renten, eine sichere Gesundheitsversorgung“, hebt Mario Voigt hervor. Sicherheit ist aber auch Bedingung für den Erfolg Deutschlands als Wirtschaftsstandort. Eine immer wichtigere Rolle spielt die Sicherheit in der digitalen Welt, um einen modernen und krisenfesten Staat zu gewährleisten.

„Wir setzen uns für ein handlungsfähiges, zukunftsfähiges und bürgernahes Europa ein. Wir verstehen unseren Freiheitsbegriff als Freiheit in Verantwortung, die innerhalb Europas gelebt wird.“– Mario Voigt

Die CDU hat alle Aspekte von Sicherheit im Blick und will für diese Sorge tragen.

Aufbruch und Erneuerung

Die Soziale Marktwirtschaft ist und bleibt das Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell der CDU. Aber dieser muss wieder Schwung verliehen werden. Unser Land braucht eine Wachstumsagenda mit attraktiven Unternehmenssteuern, schnelleren Planungsverfahren, weniger Regulierung und mehr Zukunftsinvestitionen. Die CDU will die Weichen richtig stellen, damit Deutschland international nicht den Anschluss verliert.

„Wir wollen in Deutschland wieder die Eigenverantwortung stärken. Wer Sozialleistungen erhält, aber arbeiten gehen kann, soll arbeiten.“

– Carsten Linnemann

Carsten LinnemannCDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, Foto: CDU/ Anika Nowak

Die CDU will ein positives Bild von Arbeit zeichnen, gerade in Zeiten des Fachkräftemangels. Es braucht mehr Anreize, eine Arbeit aufzunehmen. Kleine und mittlere Einkommen müssen entlastet und arbeitende Rentner steuerlich bessergestellt werden. Leistung muss sich wieder lohnen.

Zusammenhalt und Gemeinschaft

Die Krisen der Gegenwart fordern den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft heraus. Viele Menschen sind verunsichert, nicht wenige fühlen sich abgehängt. Die Schärfe in der öffentlichen Debatte verschreckt. Serap Güler fordert daher: „Wir wollen ein Land, in dem Zusammenhalt, Gemeinschaft und Engagement gelebt wird.“ Was braucht es jetzt?

„Eine vielfältige Gesellschaft braucht eine deutsche Leitkultur. Ein Regelwerk, welches den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt.“ – Serap Güler

Die stellvertretende Vorsitzende der Grundsatzkommission stellt klar: „Dazu gehört für die CDU das Bekenntnis zum Rechtsstaat, zur Menschenwürde, Respekt, Gleichberechtigung, Religions- und Meinungsfreiheit. Und das Bekenntnis zum Existenzrecht Israels.“

Serap GülerDie CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler, Foto: CDU/ Anika Nowak

Wer in Deutschland eine Heimat finden will, der muss bereit sein, sich im Sinne unserer Leitkultur zu integrieren. Schlüssel für eine vielfältige Chancengesellschaft ist gute Bildung. In diese muss investiert werden. Außerdem wollen wir ehrenamtliches Engagement fördern. Und zum Wohle aller ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr für Schulabgänger einführen.

Wie geht es jetzt weiter?

Der Bundesvorstand hat nun die Möglichkeit, Änderungen am Entwurf des Grundsatzprogramms vorzunehmen. Der von ihm verabschiedete Entwurf wird dann in der Partei diskutiert und auf dem Parteitag der CDU im Mai 2024 verabschiedet. Unser Grundsatzprogramm ist eine Einladung an alle mitzumachen. Wir laden jeden, der unsere Werte und Ziele teilt, ein, gemeinsam die Erfolgsgeschichte unseres Landes fortzuschreiben. Werden Sie noch heute CDU-Mitglied!

Mehr Informationen zum Grundsatzprogramm

Die Pressekonferenz in voller Länge

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