Eigentlich wollten Union und SPD vertraulich über die Regierungsbildung verhandeln. Doch jetzt machen die Papiere der Arbeitsgruppen die Runde im politischen Berlin.
Speziell die Steuerpläne der SPD sorgen seit Anfang letzter Woche für heftige Diskussionen. Denn anders als im Wahlkampf von den Sozialdemokraten angekündigt, würden ihre jetzigen Pläne nicht nur die Gut- und Bestverdiener treffen, sondern große Gruppen der Mittelschicht.
Insbesondere wären Bürger betroffen, die privat für ihr Alter vorgesorgt haben oder dabei sind:
Zum einen sind das rund 12 Millionen Deutsche, die Aktien, Fonds oder ETFs besitzen. Die SPD will die Abgeltungssteuer von 25 auf 30 % anheben. Auch Lebensversicherungen wären davon betroffen.
Einkünfte aus Kryptowährungen, die bisher nach einem Jahr steuerfrei sind, sollen wie Kapitaleinkünfte besteuert werden.
Und: Während Wohneigentum bisher nach einer Spekulationsfrist von 10 Jahren steuerfrei verkauft werden kann, wollen es die Sozialdemokraten künftig immer besteuern.
Union und SPD zusammen nehmen sich außerdem eine Reform der Einkommenssteuer vor. Dadurch soll die „arbeitende Mitte“ entlastet werden, wie es im Papier der Arbeitsgruppe für Haushalt, Steuern und Finanzen heißt.
Der Spitzensteuersatz soll ab einem Einkommen von 83.600 Euro von 42 Prozent auf 47 Prozent erhöht werden.
Die Reichensteuer soll von bisher 45 auf 49 Prozent steigen (gilt ab einem Einkommen von 287.000 Euro im Jahr bei einem Single).
Hinzu kommt: „Wir werden die Vermögensteuer für große Vermögen revitalisieren.“
Weitere Themen:
Bürgergeld
Union und SPD wollen bei der Festlegung des Bürgergeldes zum alten Verfahren zurückkehren, bei dem sich Preissteigerungen erst nachträglich in der Höhe der Unterstützung auswirken. Die monatlichen Zahlungen zum Lebensunterhalt im Bürgergeld waren zuletzt stark gestiegen, um 53 Euro im Jahr 2023 und 61 Euro 2024. 2025 gab es keine Erhöhung. Ob auch eine Kürzung möglich sein soll, wird nicht erwähnt. Auch für 2026 wird eine Nullrunde im Bürgergeld erwartet.
Union und SPD wollen das Bürgergeld „zu einer neuen Grundsicherung für Arbeitsuchende“ umgestalten. Sanktionen sollen verschärft, schneller und einfacher durchgesetzt werden, Zuverdienstregeln reformiert werden.
Ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 „soll umgesetzt werden“. fordert die SPD, die „Sicherung des Rentenniveaus“ will sie mit „dauerhaft bei 48 Prozent“ präzisieren.
Migrationspolitik
Die Fachpolitiker einigen sich auf weitgehende Schritte zur Begrenzung der Migration – doch entscheidende Fragen sind noch ungelöst. In dem Papier, das WELT vorliegt, heißt es etwa, dass das Ziel einer Begrenzung der Migration wieder in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen werden soll.
Als Formulierung bei dem umstrittenen Thema Zurückweisungen schlagen die Fachpolitiker vor: „Wir werden in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen. Wir wollen alle rechtsstaatlichen Maßnahmen ergreifen, um die irreguläre Migration zu reduzieren.“ Dabei sind sich Union und SPD nicht einig, was „in Abstimmung“ mit den Nachbarn bedeutet.
Die Kontrollen an allen deutschen Grenzen sollten bis zu einem funktionierenden Außengrenzschutz und der Erfüllung der bestehenden Dublin- und GEAS-Regelungen durch die Europäische Gemeinschaft fortgesetzt werden.
Die Liste der sicheren Herkunftsstaaten soll erweitert werden. „Wir beginnen mit der Einstufung von Algerien, Indien, Marokko und Tunesien“, heißt es. Der Familiennachzug soll für zwei Jahre ausgesetzt werden.
Zur Begrenzung sollen auch freiwillige Bundesaufnahmeprogramme „soweit wie möglich“ beendet und keine neuen Programme aufgelegt werden. „Wir setzen den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten befristet für zwei Jahre aus. Härtefälle bleiben hiervon unberührt.“ Zudem sollen mehr Migrationsabkommen abgeschlossen werden.
Außen- und Sicherheitspolitik
Deutschland soll als zentrale Nato-Drehscheibe ausgebaut und die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte „kurzfristig, nachdrücklich und nachhaltig“ erhöht werden.
Ausdrücklich bekennen sich die möglichen Koalitionspartner zum Bündnis mit den USA. Dies bleibe von „überragender Bedeutung“, inklusive nuklearer Teilhabe mit den USA. Dennoch soll die europäische Außen- und Sicherheitspolitik ausgebaut werden, auch durch engere Beziehungen zu Großbritannien und der Türkei. Bei der Türkei wird aber ausdrücklich die Verbesserung der demokratischen, rechtsstaatlichen und menschenrechtlichen Situation angemahnt.
Sowohl der Ukraine als auch Israel wird die Unterstützung versichert. Explizit nicht genannt wird die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern. Die Union hatte das vor der Wahl stets gefordert, Olaf Scholz aber abgelehnt.
Im Verkehrsbereich schließlich konnten sich Union und SPD noch nicht über eun Tempolimit von 130 km/h auf deutschen Autobahnen einigen: Die SPD sagt Ja, die Union Nein.
Quelle: Welt.de
Kommentare