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Bürgergeld: Fast 5 Mrd. € mehr als geplant – Kritik an mangelnden Job-Anreizen wird immer lauter

Bürgergeld: Fast 5 Mrd. € mehr als geplant – Kritik an mangelnden Job-Anreizen wird immer lauter

(Die Anhebung des Bürgergeldes zum 1. 1. 2024 um 61 Euro je Monat bedeutet ein Plus von rund 12 Prozent.)

Der Streit ums Bürgergeld wird täglich schärfer und die Rechtfertigungen für Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) immer schwieriger. Kürzlich wurde bekannt, dass fürs Haushaltsjahr 2024 – das nach dem Verfassungsgerichtsurteil gegen die Ampel-Schattenhaushalte ohnehin zunächst auf Eis gelegt wurde – 5 Milliarden Euro mehr als gedacht für das Bürgergeld eingeplant werden müssen.

Wie berichtet, wird das Bürgergeld wird im kommenden Jahr um 12 Prozent erhöht: Ein allein lebender Erwachsene bekommt 61 Euro mehr im Monat (dann 563 Euro), zuzüglich Miet- und Heizkosten. Hingegen steigt der Mindestlohn 2024 nur von 12 Euro auf 12,41 Euro. Immer lautet wird die Kritik, dass das Lohnabstandsgebot verletzt werde. Dies prangert vor allem die Union an.

Die Befürchtung von Arbeitgeberverbänden, dass Menschen im Niedriglohnsektor künftig lieber Bürgergeld beziehen als für geringen Lohn arbeiten zu gehen, wird zunehmend durch Erfahrungsberichte von Mittelständlern bestätigt.

So berichtete die FAZ (Onlineausgabe) von einer kleinen Konditoreien-Kette, deren Inhaber der Zeitung sagte:

„Die Menschen sind nicht dumm. Ganz im Gegenteil: Sie sind eben smart und wissen, wie sie das Maximum aus dem System herausholen.“

Er berichtete in der FAZ von einem Mitarbeiter, der für eine Aushilfstätigkeit knapp 13 Euro die Stunde verdient hätte. Mit diesem Gehalt habe er jedoch keine Mietwohnung gefunden.

Beim Bürgergeld kümmert sich jedoch der Staat um eine Wohnung. Und 100 Euro könne man sich auch so noch hinzuverdienen. Damit habe sein Mitarbeiter dann mehr als im Angestelltenverhältnis beim Konditor.

Besagter Mitarbeiter habe sich zunächst für 6 Wochen krank gemeldet. In dieser Zeit hat ein Angestellter Anspruch auf volle Lohnzahlung. Kurz bevor er ins Krankengeld rutschte (60 Prozent vom letzten Netto), kam er wieder zur Arbeit – für genau einen Tag. Dann meldete er sich erneut krank.

Mit diesem Verhalten provozierte er schließlich die Kündigung durch seinen Arbeitgeber und gelangte ohne Kürzungen ins Bürgergeld.

Ein weiteres Problem für Hubertus Heil ist, dass bisher in Deutschland erst 18 Prozent der Ukraineflüchtlinge in Arbeit sind. Die anderen beziehen Bürgergeld. In anderen europäischen Ländern wie Dänemark verdienen bis zu 74 Prozent der Menschen aus der Ukraine ihr eigenes Geld. Heil verteidigt das damit, dass rund 200.000 Menschen aus der Ukraine gerade erst ihre Integrationskurse beendet hätten oder kurz davor seien. Das Gleiche gelte für weitere 200.000 Asylbewerber aus anderen Ländern.

So ergebe sich ein Potenzial von rund 400.000 dringend benötigten Arbeitskräften.

Die Jobcenter würden die Menschen nun engmaschiger einladen und deutlich machen, dass es an der Zeit sei, Arbeit aufzunehmen, kündigt Heil an.

Skepsis kommt von Arbeitgeberverbänden und Unternehmern.

„In Bewerbungsverfahren passiert es uns häufig, dass sich potenzielle Mitarbeiter die Sache durchrechnen lassen und dann dankend abwinken.“

Das sagt zum Beispiel Tanja Gebhard vom Bundesverband der Gebäudereinigung. „Wir haben permanent zu wenig Leute und könnten jederzeit Arbeitsplätze anbieten, wenn es nur jemanden gäbe, der sie haben möchte.“

Und Holger Eickholz, Geschäftsführender Gesellschafter der Niederberger Gruppe, sagt:

„Von meinem Führungspersonal wird mir immer wieder zugetragen, dass Mitarbeiter mit Verweis auf Sozialleistungen kündigen. Es scheint der Eindruck vorzuherrschen, dass das Bürgergeld kaum ein Verlust sei im Vergleich zum selbst verdienten Gehalt – und dafür muss man nicht mehr um 6 Uhr in der Früh aus dem Haus.“

„Meiner Meinung nach müssten alle, die arbeiten können, verpflichtet werden, innerhalb einer bestimmten Frist Arbeit anzunehmen.“

30 Prozent kündigen mit Verweis aufs Bürgergeld

Der Bundesinnungsverband Gebäudedienstleister machte kürzlich mit einer Umfrage auf das Thema aufmerksam: Knapp 30 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass schon mehrere Beschäftigte mit konkretem Verweis auf das Bürgergeld gekündigt oder eine Kündigung in Aussicht gestellt hätten. Weitere 40 Prozent bestätigten das Phänomen, aber nur in Einzelfällen.

Wer mehr Lohn zahlt, ist nicht mehr konkurrenzfähig

Womöglich zeige sich in der Reinigungsbranche besonders früh, was anderen noch bevorsteht: Hier sind die Löhne niedrig, und die Arbeit ist hart. Einfach mehr Lohn zu zahlen sei jedoch vielen Betrieben schlicht nicht möglich.

Entsprechend zeige sich dann, dass Bürgergeld plus Schwarzarbeit tatsächlich mehr sei als der Nettolohn – vor allem, weil man sich beim Bürgergeld weder um Miet- noch um Heizkosten zu sorgen braucht. Als Beispiele wurden in Medien z. B. genannt: Gebäudereiniger, Friseure, Kosmetiker und auch Handwerksberufe wie Maler.

In einer Umfrage des „Stern“ fürchten 64 Prozent der Befragten, dass sich Menschen wegen der Erhöhung des Bürgergelds zum 1. Januar gegen eine reguläre Beschäftigung entscheiden könnten. Bei den Wählerinnen und Wählern aller Parteien außer den Grünen gibt es eine entsprechende Mehrheit.

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