„Wegen Eigenbedarfskündigung dringend Wohnung gesucht!“ Solche Hilferufe findet man in sozialen Medien im Zuge der grassierenden Wohnungsnot immer öfter.
Die Zahl der Gerichtsverfahren nach Kündigungen wegen Eigenbedarfs ist massiv gestiegen. Das belegt der Deutsche Mieterbund: Danach gab es im Jahr 2020 deutschlandweit rund 14.500 Verfahren um Eigenbedarf an Amts- und Landgerichten – 2010 waren es noch rund 8200.
Der Mieterbund vermutet einerseits, dass aufgrund steigender Mieten und Wohnungsknappheit immer mehr Eigentümer ihre Wohnung selbst oder für Verwandte nutzen wollen. Zugleich liege es am angespannten Wohnungsmarkt: Manche Mieter wären durchaus bereit umzuziehen, finden aber keine oder keine angemessene neue Wohnung – und wehren sich deshalb gegen die Eigenbedarfskündigung.
Eigenbedarfskündigungen sind grundsätzlich erlaubt
Ein Vermietern kann ein unbefristetes Mietverhältnis ordentlich kündigen, wenn er die Wohnung für sich selbst oder eine privilegierte Person (z. B. Kind oder Eltern) zur Verfügung stellen möchte (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Die Kündigung muss schriftlich erfolgen und ist dem Mieter zu begründen.
Wichtig: Da keine weiteren Gründe später nachgeschoben werden dürfen, sollte die Eigenbedarfskündigung von Anfang an ausführlich begründet werden. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, wenn sie später entstanden sind.
Kündigungsfristen
Während ein unbefristeter Mietvertrag grundsätzlich mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist beendet werden kann, gelten für Eigenbedarfskündigungen längere Fristen:
- Mietvertrag kürzer als 5 Jahre = 3 Monate Kündigungsfrist
- Mietvertrag länger als 5 Jahre = 6 Monate Kündigungsfrist
- Mietvertrag länger als 8 Jahre = 9 Monate Kündigungsfrist
Vermieter zieht nicht ein – späterer Wegfall des Eigenbedarf
Es kommt immer wieder vor, dass sich später an der Eigenbedarfssituation etwas ändert. Dazu hat der Bundesgerichthof (AZ: VIII ZR 339/04) grundsätzlich Folgendes entschieden:
Fällt der Eigenbedarf nach einer wirksamen Kündigung nachträglich weg, so ist dies nur zu berücksichtigen, wenn der Grund vor Ablauf der Kündigungsfrist entfallen ist. In diesem Fall sind Vermieter zu einer entsprechenden Mitteilung an den Mieter verpflichtet.
Fällt der zunächst tatsächlich vorhandene Eigenbedarf jedoch erst nach Ablauf der Kündigungsfrist weg, so ist dies grundsätzlich unerheblich.
Vermieter zieht nicht ein – vorgetäuschter Eigenbedarf?
Bemerkt ein Mieter, dass sein Vermieter nicht wie angekündigt eingezogen ist, kann das unangenehme Fragen nach sich ziehen.
In einem aktuellen Fall verklagte eine frühere Mieterin ihre Vermieterin auf Schadensersatz von ca. 7.650 €, weil die Vermieterin nicht eingezogen war und Gründe für den Wegfall des Eigenbedarfes nicht beweisen konnte.
Die Vermieterin hatte mit der Begründung gekündigt, sie wolle mit ihrer Familie aus dem Ausland zurückkehren und ihre Eigentumswohnung beziehen. Der Umzug fand jedoch nicht statt. Auf Anfrage der Mieterin begründete die Vermieterin dies damit, dass ihr Lebensgefährte später schwer erkrankt & pflegebedürftig geworden sei und daher kein Umzug mehr habe stattfinden können. Im Gerichtsverfahren konnte die beweispflichtige Vermieterin diese Behauptungen nicht belegen.
Zieht der Vermieter also nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht in die Wohnung ein, so muss er sich hierzu auf Nachfrage erklären. Denn es besteht der Verdacht des vorgetäuschten Eigenbedarfes.
Der Vermieter hat zu beweisen, dass der Eigenbedarf (nach Ablauf der Kündigungsfrist) auch tatsächlich entfallen ist. Gelingt der Beweis nicht, muss sich der Vermieter so behandeln lassen, als habe er:sie in die Wohnung nie einziehen wollen und den Eigenbedarf nur vorgetäuscht.
Der Schadensersatzanspruch umfasst neben den Umzugskosten auch die Mietdifferenz zwischen der früheren und der neuen Wohnung der Mieterin für einen Zeitraum von 24 Monaten. Die Vermieterin musste dem Mieter daher Schadensersatz i. H. v. ca. 7.646 € zahlen.
AG Waiblingen, Urteil vom 15.01.2019 – 9 C 1106/18
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