Für rund 3 Millionen Euro Baukosten errichtet die Stadt Unna derzeit an der Kamener Straße eine neue Unterkunft zur Flüchtlingsunterbringung. Der aufgrund seiner hohen Kosten politisch heftig umstrittene Neubau neben dem Königsborner Sportplatz wird deutlich später fertig als geplant. Das bestätigte unserer Redaktion auf Nachfrage Stadtsprecher Christoph Ueberfeld.
„Wir bemühen uns dort um eine zügige Umsetzung“, versichert Ueberfeld. Doch die momentane allgemein problematische Situation mit Baustoffknappheiten und Lieferverzögerungen trifft auch kommunale Bauprojekte.
So berichtet der Unnaer Stadtsprecher:
„Leider ist in Folge von Lieferkettenproblemen und Leistungsverzögerung in verschiedenen Gewerken eine Zeitplanverschiebung entstanden. Wir rechnen derzeit mit Fertigstellung im Frühjahr 2022.“
Genaue Termine seien schwer zu benennen, da durch Verzögerungen natürlich stets auch Folgegewerke in Mitleidenschaft gezogen werden. Deren Einsatzplanungen müssen dann mitberücksichtigt werden.
Am kommenden Dienstag, 9. November, beginnt um 15.30 Uhr der Ausschuss für Soziales, Wohnen und Demografie seine Sitzung mit einer Begehung der Baustelle an der Kamener Straße 120.
Das neue Gebäude mit 13 Kleinwohnungen wurde vom letzten Rat mit sehr knapper rotgrüner Mehrheit beschlossen.
Bürgermeister Werner Kolter selbst warf seine SPD-Stimme bei der entscheidenden Abstimmung noch mit in die Waagschale.
Zusammen mit CDU, FLU und FDP stimmte damals auch die LINKE mit Nein, da die immens hohen Kosten – so die einhellige Meinung der Gegner des Projekts – gänzlich nicht durch die Stadt erklärt werden konnten.
Zudem, so lautete die Kritik der Gegner dieses Millionenbaus, habe sich die Stadt völlig unzureichend um Alternativen zur Flüchtlingsunterbringung gekümmert, obwohl diese zum Beispiel in der früheren Landesstelle Massen in Form vieler freier Wohnungen reichlich zur Verfügung stünden.
Der nun bald fertige Neubau ersetzt den inzwischen abgerissenen Altbau auf demselben Gelände. Diese Unterkunft, sagt Christoph Ueberfeld, wurde vor Beginn der Baumaßnahme bereits seit Jahren nicht mehr in voller Auslastung von max. 20 Plätzen betrieben.
„Die dortigen Bewohner wurden im Vorfeld schrittweise in die übrigen Unterkünfte oder eigenen Wohnraum überführt, so dass kurz vor Schließung letztlich nur noch ca. 5 Personen auf die Unterkünfte Höingstraße/Rudolf-Diesel-Straße verteilt werden mussten.“ Außerdem seien Wohneinheiten der Kamener Straße bis zu ihrer Schließung auch für Corona-Quarantäne genutzt worden. Ueberfeld: „Da die städtischen Unterkünfte konzeptionell keine reinen Flüchtlingsunterkünfte sind, werden hier auch die notwendigen Unterbringungen der Wohnungsnotfallhilfe versorgt.
Da während der Coronapandemie die Notschlafstelle der Caritas zeitweise einen Aufnahmestopp verhängt hatte, dienten freie Räume der leergezogenen Kamener Straße auch noch kurze Zeit als städtischer Ersatz für die Unterbringung alleinstehender Männer. Betreuung und Versorgung wurden hier kurzfristig als Ergänzung zur Notschlafstelle der Caritas durch die Stadt Unna geleistet.
Asylbewerber – Begriffsklärung
Grundsätzlich, so der Stadtsprecher, müsse zur Begriffsklärung erklärt werden, dass Flüchtlinge nur während eines bestimmten Zeitraums als Asylbewerber gezählt werden. „Sobald das Verfahren abgeschlossen ist – mit Ablehnung oder Zustimmung – gelten die Bewerber nicht mehr als Asylbewerber, sondern wechseln in einen anderen ausländerrechtlichen Status.“ Asylbewerber im laufenden Verfahren hätten in jedem Fall Leistungsanspruch gemäß dem Asylbewerberleistungsgesetz, ebenso die Menschen, die nach der Ablehnung ihres Antrags den Status einer Duldung erhalten.
„Nicht in jedem Fall ist der weitere Verbleib in den städtischen Unterkünften erforderlich“, so Ueberfeld ergänzend: „Einige Personen sind auf Grund ihrer Erwerbstätigkeit (z.B. wenn Arbeitserlaubnis vorliegt oder sie in eine Ausbildung gehen) nicht mehr oder nur teilweise auf Leistungen nach dem AsylbLG angewiesen. „
„Zurückhaltende Zuweisung“ von Geflüchteten hält an
Wie viele geflüchtete Menschen leben derzeit generell in Unna? Hierzu sagt uns Christoph Ueberfeld:
Die aktuelle Zuweisungssituation von Flüchtlingen sei nach wie vor durch die zurückhaltende Zuweisungspraxis der Bezirksregierung geprägt. Hierbei ist zu unterscheiden:
- zwischen der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern im Anschluss an die Erstaufnahme und zentrale Unterbringung durch das Land – im Rahmen des FlüAG (Flüchtlingsaufnahmegesetz)
- und der Unterbringung zugewiesener Personen im Rahmen der Wohnsitzauflage.
Hier bestehen für die Kreisstadt unterschiedliche Aufnahmequoten:
- Die Quote für Flüchtlinge mit Wohnsitzauflage ist laut dem Stadtsprecher untererfüllt: Quote: 77,85% (01.07.2021, Soll 540 Personen, Ist 385 Personen; Aufnahmepflicht: 155 Personen);
- die Quote im Rahmen des FlüAG zur Aufnahme von Asylbewerbern ist durch die Anrechnung der EAE Unna-Massen übererfüllt: Quote: 120,01 % (26.06.2021, +28 Personen über dem Soll).
Kommentare
Wenn ich mich recht erinnere lag der ursprünglich geplante Invest von 2,4 Millionen Euro letztendlich bei 3,6 Millionen Euro.
Damit dann das Kolter Denkmal im Stadtrat final abgenickt wurde, hat man 3 Millionen als Obergrenze garantiert.
Die Pressemitteilung über die Bauverzögerung also der erste Vorbote dass die Kosten offensichtlich ebenfalls nicht zu halten sind.
Und offensichtlich bedauert Herr Ueberfeld (bei den sowieso horrenden Sozialausgaben der Stadt) dass die Quote mit Wohnsitz Auflage untererfüllt ist.
Bei einer Aufnahmepflicht von 155 Personen und derzeitigen ist von 385 Personen ist sie m.E mehr als 100% übererfüllt.
Die Kosten prüfen wir nach, Herr Gremling. Dass der Stadtsprecher etwas „bedauert“, können wir nicht bestätigen. Er hat uns lediglich auf unsere Anfrage sachloch über den aktuellen Stand informiert.