„Ein türkischer Familienvater in Deutschland verheiratet seine Tochter ohne deren Einverständnis mit dem Sohn seines Bruders, um diesem eine Aufenthaltserlaubnis für Deutschland und damit eine Existenz zu sichern. Besprich die Situation mit deiner/m Tischnachbarin/Tischnachbarn. Welche Konflikte seht ihr darin?“
Dies ist eine Aufgabe aus dem Buch „Zugänge zur Philosophie„, einem Philosophie-Buch für die Oberstufe. Es hat für einen Sturm der Entrüstung gesorgt.
Diskutiert wurde der Fall an einem Gymnasium in Siegburg. Türkischstämmige Eltern sehen in der zitierten Aufgabe eine klischeehafte Darstellung.
Man sei fassungslos, dass die Aufgabe so gestellt worden sei, schrieb die Föderation Türkischer Elternvereine in NRW in einem offenen Brief an Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP). Eine solche Art von Unterricht trage dazu bei, dass Klischees in den Köpfen der Schülerinnen und Schüler verfestigt würden.
Auf ihrer Homepage entschuldigt sich die Schule öffentlich:
„Heute fegte ein Shitstorm über unsere Schule, der uns sehr getroffen hat. Uns wurde Rassismus und Diskriminierung vorgeworfen.
Hintergrund war die Aufgabe in einer Klasse. Schülerinnen und Schüler sollten sich mit Vorurteilen und Stigmatisierung auseinandersetzen und dies in kleinen Gruppen – später in der ganzen Klasse – diskutieren. Dabei konnte der Eindruck entstehen, hier würden Stereotypen bewusst gegen eine Minderheit eingesetzt. Dies ist nicht der Fall, und es wird auch niemals der Fall sein. Dennoch entschuldigen wir uns bei allen, die sich dadurch verletzt fühlen könnten. Selbstverständlich war das weder die Absicht der Schule noch eines einzelnen Lehrers.
Das Gymnasium Siegburg Alleestraße ist seit fast 20 Jahren Mitglied von “Schule ohne Rassismus”, und das nehmen wir als Auftrag und Verpflichtung ernst. Wir sind eine offene, tolerante und internationale Schule. Das wird so bleiben. Sollte sich jemand wegen seiner Herkunft, sexuellen Orientierung oder Zugehörigkeit zu einer Minderheit benachteiligt oder ungerecht behandelt fühlen: Wir sind da, und wir werden gemeinsam dagegen kämpfen. Immer und für jeden.
Heute und in Zukunft steht das GSA für Engagement gegen Rassismus, für Vielfalt und Diversität.“
Die Bezirksregierung Köln teilte mit, dass die Schule „ein sehr engagiertes Mitglied von ‚Schule ohne Rassismus‘„ sei. Das Gymnasium habe dem Schulausschuss der Stadt Siegburg über die Geschehnisse ausführlich Bericht erstattet. Das habe parteiübergreifend zur Beruhigung beigetragen. Zudem habe die Schulleitung, nachdem die Ditib sich an die Schule gewandt hatte, den Gemeindevorstand der Islamischen Gemeinde Siegburg zu einem klärenden Gespräch eingeladen.
Die Bezirksregierung bedauert, dass „im Unterricht verwendetes Material ohne jeglichen Kontext und vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen den Weg in die sozialen Netzwerke gefunden hat„. Ziel sei gerade „die Entwicklung eines kultursensiblen eigenen Sach- und Werturteils im Horizont philosophischer Ansätze“.
Bereits am Montag reagierte der Verlag und kündigte an, das Fallbeispiel auszutauschen: „Auch wenn die geschilderte Extremsituation geeignet ist, um ein Dilemma philosophisch zu diskutieren, werden wir es umgehend im Nachdruck gegen eine Neuformulierung austauschen“, teilte die Sprecherin des Cornelsen-Verlags dem WDR mit. „Wir sind der Ansicht, dass Schule Impulse geben soll, sich mit unterschiedlichen Ansichten und Lebensformen auseinanderzusetzen, aber Schule soll auch der Ort eines guten, vorurteilsfreien Miteinanders sein. Wir setzen uns daher gegen Stereotype und Vorurteile in Schule ein.„
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