„Übersetzen Sie mir bitte mal ein Wort mit Ihrem Smartphone.“ Und zack, griff der Dieb zu.
Nicht zum ersten Mal tat er das. Der in Fröndenberg gemeldete Asylbewerber, der am Donnerstagvormittag in einer Regionalbahn nach Dortmund einem syrischen Mitreisenden einfach frech das Smartphone aus der Hand riss und ihn sodann schlug, ist sattsam polizeibekannt.
Dringende Gründe für eine Untersuchungshaft lagen nach seiner Festnahme gleichwohl nicht vor, und eine Abschiebung muss der 29-Jährige weder kurz- noch mittelfristig befürchten: Denn sein Herkunftsland heißt „Ungeklärt“.
So berichtete es auf Nachfrage unserer Redaktion die Bundespolizeisprecherin Anne Rohde, die die Mitteilung über den Raub im Regionalexpress RE 11 verfasst hatte.
Passiert war, was in Regionalzügen leider inzwischen Alltag ist. Ein Reisender stahl einem Mitreisenden das Mobiltelefon. Dazu griff der besagte 29-Jährige aus Fröndenberg zu einer List. Er sprach einen 21-jährigen syrischen Mitreisenden an unter dem Vorwand, dieser möge ihm mit Hilfe seines Smartphones ein Wort übersetzen.
Als der junge Mann sein Mobiltelefon hilfsbereit hervorzog, griff sein Gegenüber unverfroren zu, steckte es in seine Hosentasche und erklärte frech: „Das bekommst du jetzt nicht wieder!“
Der Eigentümer griff nach seinem Handy – daraufhin schlug der Dieb ihn und versuchte zu flüchten.
Aufgrund des Geschreis wurde ein 44-jähriger Mitreisender auf den Vorfall aufmerksam, rannte in den hinteren Teil des Zuges und hinderte die Beteiligten am Hauptbahnhof Dortmund bis zum Eintreffen der Bundespolizei daran, den Zug zu verlassen.
Der 29-jährige Dieb gab sich gegenüber den Polizisten bockig. Er weigerte sich, seine Personalien preiszugeben. Daraufhin durchsuchten ihn die Beamten und fanden in seiner Hosentasche neben einer Geldbörse auch das Handy des 21-jährigen Syrers.
Die Identität des Mannes aus Fröndenberg stellten die Einsatzkräfte mit Hilfe einer Krankenversichertenkarte fest. Sie fanden bei ihm dann noch Dokumente einer 63-Jährigen, die vermutlich ebenfalls gestohlen waren und deshalb sichergestellt wurden.
Schließlich folgte die Anforderung der Videoaufnahmen aus dem Zug an und die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen räuberischen Diebstahls. Gründe für eine Untersuchungshaft bestanden nicht.
Auf Nachfrage unserer Redaktion nach polizeilichen Vorbekanntheiten und der Herkunft des Kriminellen teilte uns Bundespolizeisprecherin Rohde ergänzend mit:
„Bei der betroffenen Person ist die Herkunft noch unbekannt bzw. kann nicht abschließend geklärt werden, deshalb die „ungeklärte“ Staatsangehörigkeit. Dies steht womöglich in Zusammenhang mit einem Asylverfahren. Ausweisdokumente konnte der junge Mann nicht vorlegen, sondern, wie in der Pressemitteilung, lediglich eine Krankenversichertenkarte (mit seinen Daten und einem Lichtbild). Eine Überprüfung bestätigte die Angaben.“
Herkunft „ungeklärt“ – was bedeutet das?
Liegen keine Dokumente vor, die die Zugehörigkeit zu einem Herkunftsstaat nachweisen, können Menschen in der Regel nicht in diesen zurückkehren – und damit ihre Abschiebung behindern.
Bei einem Großteil der Asylbewerber mit „ungeklärter“ Herkunft handelt es sich laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) um Kurden oder Araber – vorwiegend Palästinenser, die sich nachweislich oder „glaubhaft in einem Staat aufgehalten haben, ohne die betreffende Staatsangehörigkeit zu besitzen“, teilte eine Sprecherin auf Medienanfrage mit.
Betroffen seien vor allem Kurden und Palästinenser, etwa aus Syrien. In diesen Fällen sei die Lage in dem jeweiligen Land – also beispielsweise Syrien – für die asylrechtliche Entscheidung maßgeblich. Beispielsweise können Palästinenser, die als Flüchtlinge in Syrien leben, dort zwar nahezu alle Bürgerrechte wahrnehmen. Die syrische Staatsangehörigkeit erhalten sie aber in der Regel nicht.
Die Staatsangehörigkeit „Ungeklärt“ wird außerdem eingetragen bei „Personen, deren Angaben zum Herkunftsland vom Bundesamt widerlegt oder als unglaubhaft bewertet werden, ohne dass gleichzeitig eine andere Staatsangehörigkeit festgestellt werden kann“.
In solchen Fällen sei „eine Ablehnung als offensichtlich unbegründet vorgesehen“. Wer keine Ausweispapiere mit sich führt, gilt beim BAMF hingegen nicht automatisch als Schutzsuchender mit ungeklärter Identität.
Die Zahl der Asylbewerber mit „ungeklärter“ Staatsangehörigkeit liegt seit Jahren konstant bei rund 4000 Fällen pro Jahr. Da die Zahl der Schutzsuchenden seit 2017 jährlich abnimmt, wächst allerdings ihr Anteil an der Gesamtzahl der Antragsteller. In der Liste der häufigsten Staatsangehörigkeiten lag „Ungeklärt“ bereits 2020 auf dem 4. Platz hinter Syrien, Afghanistan und dem Irak.
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