Man werde „gehalten wie Tiere“, sterbe einen „langsamen Tod“. So drastisch beschrieb ein anonymes Facebookprofil namens „„Selm Camp“ die vermeintlichen Zustände in der Zeltstadt in Selm-Bork, wo wie berichtet rund 800 männliche Asylsuchende untergebracht sind.
Seit Samstag ist die Seite vom Netz.
Ralf Piekenbrock von der Familienpartei in Selm, der die Diskussionen um die Zeltstadt und die Kritik der Anwohner intensiv begleitet, nimmt zu dem Vorgang zusammenfassend wie folgt Stellung.
„Die Seite „Selm Camp“ war 14 Tage über Facebook online und gab vor, von einem Asylsuchenden, der in der Notunterkunft Bork lebt, betrieben zu werden. Hier wurden Bilder, vornehmlich aus den Sanitäranlagen gepostet, die unhaltbare Zustände offenlegen sollten.
Vieles an dieser Seite machte stutzig, sei es das einwandfreie Deutsch, was die Qualität der meisten Übersetzer überstieg, oder das die Schlagzeilen immer hetzerischer wurden.
Schlagzeilen wie „Der langsame Tod“, Aussagen „gehalten zu werden wie Tiere“ oder Bilder von einer Toilette, in der man das „ungenießbare Essen“ regelmäßig runterspüle, trugen sicherlich nicht zu einer Annäherung zwischen Bevölkerung und Asylsuchenden bei.
Mit Bildern kann man heute viel machen, was nicht heißt, diese seien gefälscht, aber auch im Original sind sie immer nur Momentaufnahmen.
Die Notunterkunft ist das, was sie schon im Namen aussagt. Sie war ursprünglich zur Unterbringung von 3 bis 7 Tagen ausgelegt. Auch was die Reinigung anbelangt, 2x am Tag werden vor allem die sanitären Anlagen von einer Firma gereinigt. Das kann bei 750 Männern nicht reichen, aber ich denke, auch bei Menschen aus anderen Kulturen kann man hier eine gewisse Selbstorganisation erwarten.
Was mich mittlerweile nicht mehr wundert, aber trotzdem immer noch aufstößt, wie bestimmte Leute hier auch in Selm, auf einen solchen Zug überzogener Beschwerden aufspringen, eine Solidarität heucheln, ohne zu wissen, wem sie da letztendlich hinterher hecheln.
Hauptsache man hat ein weiteres Instrument, um Bürger, die es wagen, unangenehme Begegnungen mit den dortigen Bewohnern zu kommunizieren, in die rechte Ecke zu drängen.
Den Borker Bürgern ging es noch nie um Diffamierung, viel zu gastfreundlich haben sie sich in all den Jahren gezeigt. Sie fühlen sich im Stich gelassen und wollen Lösungen, für beide Seiten.
Nach der Bürgerversammlung, wo es eine kleine, sich daneben benehmende Minderheit nicht verhindern konnte, dass zum großen Teil sachlich diskutiert wurde, eskalierte diese Seite dann und sprach von „Zuständen wie in einem KZ“. Hier war dann der Zeitpunkt erreicht, wo der letzte eigentlich erkennen musste, dass es hier um nichts als den Versuch ging, noch weiter zu spalten.
Ich habe Donnerstag und Freitag mit den Verantwortlichen der Bezirksregierung und European Homecare telefoniert und angekündigt, wenn man von deren Seite nicht vorgehe, selber aktiv zu werden und rechtliche Schritte einzuleiten. Ich bin zu stolz auf meine Mitbürger, die sich in allen auch globalen Krisen bisher als hilfsbereit gezeigt haben und unsere weltoffene Stadt, als das ich es zulasse, dass wer auch immer öffentlich behauptet, hier würde so was „ wie ein KZ“ betrieben.
Freitag Abend waren dann alle Beiträge gelöscht und Samstag die Seite endlich vom Netz.
Ich finde es legitim, wenn Schutzsuchende sich über die Unterbringung beschweren, gerade die jetzt doch längere Aufenthaltszeit in den Zelten und die fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten machen es dort sicherlich nicht einfach. Aber was da alles kommuniziert wurde, hat einen erträglichen Rahmen sicherlich gesprengt.
Ich bin selber auf Lesbos und Lampedusa gewesen. Menschen die dort waren, würden z.B. unsere Notunterkunft niemals als „Hölle“ bezeichnen. Ich bin nach der Eroberung von Kabul durch die Taliban mehrfach unter Einsatz meines Lebens dort gewesen und habe Flüchtlinge dort rausgeholt. Diese hatten eigentlich die Zusage der Bundesregierung, von dort evakuiert zu werden, weil sie jahrelang für die Bundeswehr gearbeitet hatten und daher von den Taliban gejagt und hingerichtet werden.
Es ist auch Teil der Wahrheit, dass sich solche Menschen z.B. niemals beschweren würden, nur 3 Mahlzeiten pro Tag zu erhalten.
Wenn man natürlich die Erklärung von European Homecare hört, dass die Asylsuchenden hier Bilder vor schönen Häusern und Autos machen, mit denen die Schlepper in den Herkunftsländern „Flüchtlinge“ anlocken, ist es doch klar, dass hier die Enttäuschung vorprogrammiert ist.
Ich hoffe, dass die beiden Bürgerdialoge ein Anstoß in die richtige Richtung waren. Ein sachlicher Diskurs und die Suche nach Lösungen sind der richtige Weg.
Was hier teilweise an Verdrängung, Verleumdung und Diffamierung praktiziert wurde, ist lediglich Wahlhilfe für die AfD.
Missstände, konkrete Vorfälle und ja auch reine Ängste zu kommunizieren ist Meinungsfreiheit und kein „blanker Rassismus“. Die Asylsuchenden dürfen hier natürlich menschenwürdige Zustände bei der Unterbringung und unsere Gastfreundschaft erwarten. Wir dürfen aber auch Dankbarkeit, das Einhalten unserer Regeln und den Willen zur Anpssung erwarten. Ein friedliches Miteinander ist keine Einbahnstraße. “
- Ralf Piekenbrock, Fraktionsvorsitzender FAMILIE im Rat der Stadt Selm
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[…] steigende Zahl von Asylsuchenden in ganz NRW. Wie berichtet, gab und gibt es auch bezüglich der Zeltstadt in Selm-Bork (mit rund 700 dort untergebrachten männlichen Migranten) erhebliche Unruhen und eine […]