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Vorfälle mit jungen Gewalttätern in Unna und Bergkamen: „Verharmlosende“ Darstellung der Polizei irritiert

Vorfälle mit jungen Gewalttätern in Unna und Bergkamen: „Verharmlosende“ Darstellung der Polizei irritiert

„Ich empfinde die Auskünfte der Polizei als sehr defensiv. Das Geschehen war sehr eindrücklich und heftig, die Angaben hierzu wirken auf mich irgendwie etwas herabspielend.“

Kopfschüttelnd und etwas irritiert reagierte ein Leser auf die offizielle Polizeidarstellung des Gewaltausbruchs am Mittwoch in Bergkamen: Auf der Berufsmesse in der Gesamtschul-Sporthalle gerieten zwei Jugendgruppen gewalttätig aneinander. Zwei Jungen aus Unna und Fröndenberg wurden verletzt, zwei Heranwachsende aus Kamen vorläufig festgenommen und angezeigt. Wir berichteten. 

Der oben genannte Leser war selbst auf der Messe anwesend und wurde Augenzeuge des Vorfalls. Er schrieb unsere Redaktion am Mittwochabend an, weil er sich wunderte, dass bisher nichts über den gewalttätigen Vorfall auf der Bergkamener Berufsmesse irgendwo zu lesen war. Es habe mindestens einen Verletzten gewesen, und ein abgebrochener Flaschenhals sei als Stichwaffe eingesetzt worden, schrieb er uns.

Dank dieser Information konnten wir bei der Kreispolizei-Pressestelle nachfragen, denn wir hatten bis dato keinerlei Kenntnis über einen Zwischenfall auf der Ausbildungsmesse. Auf dem Blaulichtportal der Polizei war nichts von einer Gewalttat zu lesen.

Die Darstellung des Polizeisprechers überraschte den Informanten und Augenzeugen dann noch mehr. Das klinge doch alles sehr verharmlosend, wundert er sich in einer weiteren Zuschrift an unsere Redaktion.

Praktisch identisch verhielt es sich wenige Tage zuvor mit einem anderen gewalttätigen Vorfall, ebenfalls auf einem Schulgelände und ebenfalls mit Jugendlichen als Opfern wie Tatverdächtigen:  Auch über diesen Vorfall – ein 14-jährige Schüler wurde in der großen Pause von zwei anderen Jugendlichen brutal geprügelt und am Boden liegend getreten – informierte uns (in diesem Fall einen Tag später) ein Leser mit der verwunderten Frage, wieso über so eine Gewalttat nicht berichtet werde.

Auch hier wichen dann die anschließenden Auskünfte, die wir am Sonntag bei der Polizeileitstelle einholten, erheblich von den Eindrücken des Informanten ab, der uns daraufhin dann ärgerlich fragte: „Was bezweckt die Polizei mit solchen verharmlosenden Darstellungen?“

Diese Frage stellten wir heute (am 17. Februar) zu beiden Vorfällen an die Polizeipressestelle. Die Antworten lesen Sie unten. 

Zunächst seien hier die unterschiedlichen Darstellungen der Zeugen/Informanten und der Polizei zu beiden Vorfällen in Bergkamen und Unna gegenübergestellt.

Angriff auf Schüler auf PGU-Schulhof, Freitag, 10. 2. 23:

PGU an der Morgenstraße in Unna. (Foto Archiv)

Am Samstagvormittag, 11. 2. 23, bekam unsere Redaktion eine Mail eines Vaters, dessen Kind das Pestalozzi-Gymnasium Unna besucht. Der uns bekannte Unnaer fragte an:

„Meine Frage, ist Ihnen bekannt, dass am PGU gestern eine massive Schlägerei mit Schülern der PWG stattgefunden haben soll?
Es sollen ca. 60 Schüler der PWG zum PGU gewandert sein, um eine Schlägerei zu führen. Mindestens ein Lehrer soll attackiert und mindesten ein Schüler (9.Schuljahr) krankenhausreif geprügelt worden sein. Hier soll es massiv zu Tritten gegen den Kopf am bodenliegend gekommen sein.
Ist das bekannt? Wenn ja, warum wird nicht berichtet?“

Auf unsere Nachfrage bei der Polizeileitstelle (die Pressestelle der Polizei ist samstags und sonntags nicht besetzt) bekamen wir folgende Auskunft:

Auf dem Schulgelände an der Morgenstraße sei am Freitagvormittag, 10. 2., ein 14-jähriger Schüler Opfer einer gefährlichen Körperverletzung geworden. Nach den bisher vorliegenden polizeilichen Erkenntnissen hätten gegen 9.30 Uhr zwei andere Jugendliche zusammen den 14-Jährigen angegriffen. Sie verprügelten ihn und traten auf den Gymnasiasten ein, als dieser schon am Boden lag. Der Junge sei leicht verletzt worden, ein Rettungswagen habe ihn dennoch zur Sicherheit in ein Krankenhaus gebracht.

Gegen einen 14-jährigen Tatverdächtigen sei Strafanzeige wegen gefährlicher Körperverletzung gefertigt worden, der zweite Schläger müsse noch ermittelt werden. Der Hintergrund des Gewaltausbruchs soll laut Polizei ein Streit gewesen sein, den man habe „klären“ wollen.

Polizeisprecherin Vera Howanietz ergänzte dann auf unsere Nachfrage am Montag noch folgendes: „Der Sachverhalt ist hier zur Anzeige gebracht worden und jetzt in der Sachbearbeitung des zuständigen Kriminalkommissariats. Die Beteiligten werden eine Vorladung bekommen und dann die Gelegenheit haben, sich zum Sachverhalt zu äußern. Weitere Informationen liegen dann evtl. nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen vor.“

Gewaltausbruch zwischen Jugendgruppen auf Berufsmesse in Bergkamen, Mittwoch, 15. 2. 23:

Symbolbild einer Faust, Angriff – Foto Redaktion

Zu diesem Vorfall erhielten wir am Abend des besagten Tages eine persönliche Nachricht auf unserer Facebookseite, ebenfalls von einem uns bekannten Leser aus Unna.

„Hallo zusammen, auf der Bildungsmesse „Mission Ausbildung“ in Bergkamen gab es heute einen Zwischenfall. Es wurde zumindest eine Person verletzt und im RTW weggefahren, mindestens eine Person festgenommen, es war eine abgebrochene Flasche als Stichwaffe im Spiel. Habt ihr da schon Infos zu dem, was da abgelaufen ist?“

Die Auskunft von Polizeisprecher Christian Stein lautete dazu am Donnerstag wie folgt:

„Gegen 11.10 Uhr am Mittwoch kam es auf einer Berufsmesse in der Gesamtschule in der Straße Am Friedrichsberg zunächst zu einem verbalen Streit zwischen zwei Jugendgruppen, die in der Folge in einer körperlichen Auseinandersetzung endete.

Vor Ort konnten durch Zeugenaussagen zwei Tatverdächtige festgestellt werden. Bei ihnen handelt es sich um einen 18-jährigen syrischen Staatsbürger und einen 19-jährigen syrischen Staatsbürger aus Kamen. Beide wurden vorläufig festgenommen. Nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen und Einleitung von Strafverfahren wurden sie im Laufe des Tages entlassen.

Ein 15-jähriger syrischer Staatsbürger aus Fröndenberg und ein 16-jähriger serbisch-montenegrinischer Staatsbürger aus Unna wurden bei der Auseinandersetzung leicht verletzt. Sie mussten ambulant im Krankenhaus behandelt werden. Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen zu den Hintergründen aufgenommen.“

Dazu meldete sich im Tagesverlauf nochmal erneut der Augenzeuge:

Ich habe den Artikel grad gelesen und empfinde die Auskünfte der Polizei als sehr defensiv. Das liegt daran, dass

einige Hundert Anwesende das Geschehen der zunächst heftigsten Schlägerei (z.B. gezielte Schläge gegen den Kehlkopf) beobachtet haben, das sich oben auf der Zuschauertribüne abspielte (wobei da oben Dutzende junge Menschen mitten zwischen den herumwütenden Beteiligten saßen),
ebenso viele dann mitbekommen haben, wie einer der Jungs eine Glasflasche zerdepperte, um den Flaschenhals als Waffe einzusetzen,
Dutzende Besucher an dem blutüberströmten jungen Mann vorbeigingen, der im Eingangsbereich von Ersthelfern versorgt wurde (es lagen unzählige, blutverschmierte Scherben um ihn herum),
einige Anwesende den Haupttäter verfolgten, auf dem Schulhof stellten und festhielten,
die Polizei recht zahlreich erschien,
die Polizei die Tribüne abriegelte, so dass auch Unbeteiligte zunächst nicht von der Tribüne gelangen konnten.

Das Geschehen war durchaus sehr eindrücklich und heftig, die Angaben hierzu wirken auf mich irgendwie etwas herabspielend.

Nun gut, vielleicht ist das aber auch nur mein Eindruck…

Bewusst verharmlosend und herunterspielend? Das sagt die Kreispolizei Unna

Unsere Anfrage zu den Vorwürfen der Verharmlosung und „Nichtvermeldung“ dieser Jugendgewalttaten beantwortete uns Kreispolizeisprecherin Vera Howanietz wie folgt:

„Die Schilderungen Ihres Lesers (auf der Berufsmesse, d. Red.) sind uns nicht bekannt und können daher auch nicht bestätigt werden.

Generell ist das subjektive Empfinden von Augenzeugen oder Geschädigten häufig emotional geprägt und kann daher von einer objektiven Sachverhaltsaufnahme durch die Polizei abweichen.

Der für ein Strafverfahren relevante Sachverhalt ergibt sich oftmals erst nach Abschluss der Ermittlungen.

Es ist nicht Aufgabe der Polizeipressestelle, einen emotionalen Spannungsbogen aufzubauen, das obliegt den journalistischen Medien – auch im Rahmen ihrer eigenen Recherchen. “

Zur Frage, wieso die Polizei nicht initiativ berichtete:

„Bei strafrechtlich relevanten Vorfällen in Einrichtungen oder Schulen berichten wir grundsätzlich zurückhaltend, kommen aber dennoch unserer Informationspflicht auf Anfrage nach.“

 

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