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Dortmunds Polizeipräsident zur Anklage nach tödlichen Schüssen: „Müssen verlorenes Vertrauen wieder herstellen – Betreiben aktive Wertearbeit“

Dortmunds Polizeipräsident zur Anklage nach tödlichen Schüssen: „Müssen verlorenes Vertrauen wieder herstellen – Betreiben aktive Wertearbeit“

Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat nach dem tödlich verlaufenen Polizeieinsatz am 8. August 2022 Anklage gegen 5 an dem Einsatz beteiligte Beamte der Polizei Dortmund erhoben. Wir berichteten gestern.

Dazu äußert sich der Dortmunder Polizeipräsident Gregor Lange:

„Der Einsatz hat auch in unserer Behörde eine tiefe Betroffenheit ausgelöst. Und ich spreche für die ganze Behörde, wenn ich sage: Es ist unser ureigenes Interesse, dass der Tod dieses jungen Mannes – und damit auch die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Maßnahmen in diesem Einsatz – lückenlos aufgeklärt wird.“

Der Polizeipräsident hatte bereits kurz nach dem Einsatz Disziplinarverfahren und vorläufige Maßnahmen eingeleitet und einen beteiligten Beamten vom Dienst suspendiert sowie vier weitere Beamtinnen und Beamte in andere Tätigkeitsbereiche des Polizeipräsidiums Dortmund umgesetzt.

„Meine mehr als 3500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten tagtäglich rund um die Uhr eine schwierige und herausfordernde Arbeit für die Sicherheit aller Dortmunder. Sie sind in den letzten Jahren mit Hartnäckigkeit und Erfolg einer gefährlichen rechtsextremistischen Szene entgegengetreten.

Und sie haben nicht nur in der Nordstadt mit Professionalität, Ausdauer und gemeinsam mit zahlreichen Netzwerkpartnern kriminelle Strukturen und Bandenkriminalität zurückgedrängt. Davon profitieren in der Nordstadt auch und gerade Menschen und Familien mit Zuwanderungsgeschichte.

Umso wichtiger ist es jetzt, die erhobenen Anschuldigungen gegen die Einsatzkräfte in einem rechtsstaatlichen Strafverfahren vor Gericht umfassend und fair aufzuarbeiten“, so Polizeipräsident Gregor Lange. „Fakt ist aber auch:

Bis zum Ausgang dieses Gerichtsverfahrens gilt auch bei Polizeibeamten die Unschuldsvermutung – genauso wie bei allen anderen Bürgern.“

„Uns ist klar: Dieser Einsatz, bei dem ein 16-jähriger senegalesischer Flüchtling auf tragische Weise ums Leben kam, hat, vor allem bei Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, Vertrauen beschädigt, das wir wieder herstellen müssen. Nicht erst seit dem Einsatz am 8. August und der daraus resultierenden gesellschaftlichen Diskussion setzen wir als Polizeibehörde zahlreiche Maßnahmen – nach innen und nach außen – um, die eines zeigen:

Wir tolerieren keine Form des Extremismus, des Rassismus oder der Diskriminierung, gerade nicht aus unseren eigenen Reihen.“

Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange. (Foto Polizei Dortmund)

Aus diesem Grund thematisiert das Polizeipräsidium Dortmund bereits seit Jahren immer wieder auf unterschiedliche Weise das Thema Werte – mit Veranstaltungs- und Gesprächsformaten aus verschiedenen Perspektiven. Dabei ist dem Behördenleiter auch die intensive Zusammenarbeit mit Institutionen der Stadtgesellschaft wichtig. Seit 2012 wirkt die Polizei daher bereits beim Runden Tisch für Vielfalt, Toleranz und Demokratie in Dortmund mit. 2014 wurde ein Dialogkreis mit den muslimischen Gemeinden und Institutionen in Dortmund und Lünen ins Leben gerufen, ebenso wie eine Arbeitsgruppe zum Thema Interkulturelle Kompetenz. Hier besteht eine Kooperation mit dem Jugendring Dortmund. Dieses Thema fließt seit 2017 auch verstärkt in interne Fortbildungen ein – unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Multikulturellen Forum in Dortmund.

Aktive Erinnerungsarbeit – beispielsweise Besuche der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache, auf der Wewelsburg oder in jüdischen und muslimischen Gemeinden sowie Vorträge eines Zeitzeugen des Holocausts – gehört seit 2015 fest zur Behördenkultur. Dazu passt der jährliche Tag der Werteorientierung, der 2021 erstmals am Tag des Grundgesetzes stattfand.

2020 nahm in der Dortmunder Behörde außerdem der Extremismusbeauftragte seine Arbeit auf – zusammen mit einer Projektgruppe. Ziel: das frühzeitige Erkennen und damit auch Einschreiten bei Fehlverhalten und extremistischen Tendenzen in der Mitarbeiterschaft.

Nicht erst seit dieser Maßnahme geht die Polizei Dortmund mit strengem Maßstab jedem Hinweis auf Rassismus oder Extremismus in den eigenen Reihen nach.

Bei jedem Verdacht werden sofort disziplinarische und arbeitsrechtliche Verfahren oder Strafverfahren eingeleitet – wie etwa das Disziplinarverfahren gegen einen Polizeibeamten unter Reichsbürgerverdacht in 2014, das mit einer Entfernung aus dem Dienst endete. Oder auch eine Kommissaranwärterin, die 2016 damit auffiel, dass sie mit Thor-Steinar-Pullover zum Unterricht erschien. Auch sie wurde nach einem langwierigen Gerichtsverfahren aus dem Dienst entfernt.

Als Resonanz auf eine nach dem tragischen tödlichen Einsatz vom 08.08.2023 wahrnehmbare Verunsicherung, vor allem bei Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in der Nordstadt, hat Polizeipräsident Gregor Lange 2022 schließlich die Arbeitsgruppe Dialog eingesetzt. Regelmäßig tagt diese Arbeitsgruppe und ist bereits mit zahlreichen vor allem in der Nordstadt ansässigen Vereinen und Institutionen vernetzt. „Ich bin den Verbänden und Vereinen dankbar, dass sie gemeinsam mit uns vertrauensbildende und vertrauensstärkende Maßnahmen und Projekte entwickeln“, machte der Polizeipräsident deutlich.

Grundsätzlich wird der Wachbereich Nord mit seinen besonderen Aufgaben und den daraus resultierenden Belastungen immer wieder sehr intensiv betrachtet. In diesem Rahmen hat das PP Dortmund im Jahr 2021 mit einer Dienstgruppe aus der Wache Nord freiwillig an einer Erhebung der Stabsstelle „Rechtsextremistische Tendenzen in der Polizei NRW“ des Ministeriums des Inneren NRW teilgenommen. Hinweise auf problematisches Verhalten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat das PP Dortmund nach Abschluss dieser teilnehmenden Beobachtung nicht erhalten.

Darüber hinaus wurde in der Polizeiwache Nord im gleichen Jahr aufgrund der bereits genannten Gründe eine Alltagsreflexion durchgeführt. Auch hier gab es keinerlei Rückmeldungen zu Fehlverhalten seitens der Mitarbeitern.

Behördenweit und aufgrund der bereits erwähnten besonderen Aufgaben und Belastungen der Mitarbeitenden des Wachbereichs Nord, unterliegen insbesondere das hier eingesetzte Führungspersonal und die hier tätigen Mitarbeitenden einem steten und umfangreichen Wechsel, so dass regelmäßig eine Personalrotation stattfindet.

Das Polizeipräsidium Dortmund hat bereits seit mehreren Jahren ein Beschwerdemanagement eingerichtet. Hier haben Bürger die Möglichkeit, sich sowohl über Einsätze und Maßnahmen als auch über das Verhalten einzelner Polizeibeamtinnen und -beamten zu beschweren. Ein aktuelles Controlling der eingegangenen Beschwerden hat keine Auffälligkeiten im Wachbereich Nord in Bezug auf das Handeln der Einsatzkräfte gezeigt.

Neben den landesweiten Aus- und Fortbildungskonzepten der Polizei NRW zum Umgang mit psychisch auffälligen Personen hat das Polizeipräsidium Dortmund als eine erste Reaktion auf den Einsatz vom 8. August 2022 Dienstunterrichte etabliert, in denen erfahrene Führungskräfte Einsatzkräfte im Umgang mit psychisch auffälligen Personen schulen und sensibilisieren.

Gregor Lange fasst das Ziel all dieser Aktivitäten, die hier nur auszugsweise dargestellt sind, zusammen:

„Ich erwarte von allen meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass sie sich jederzeit im Rahmen unserer Gesetze und Vorgaben bewegen und aktiv für die Ziele und Werte unserer Verfassung eintreten. Wer den Diensteid ablegt, übernimmt für immer Verantwortung für die Gleichheit, die Freiheit, die Menschenwürde und für die uneingeschränkte Treue zu unserer Verfassung.“

Weitere Informationen:

https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/4971/5311212

https://dortmund.polizei.nrw/presse/vertrauen-in-die-polizei-staerken-intensiver-dialog-mit-der-zivilgesellschaft

https://dortmund.polizei.nrw/sites/default/files/2023-02/massnahmen-zum-thema-vielfalt-im-pp-do.pdf

https://dortmund.polizei.nrw/sites/default/files/2023-02/prasentation-vielfalt-und-demokratische-resilienz-im-pp-dortmund.pdf

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