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Familienvater schwer verletzt und ausgeraubt: „Treppensturz“ am Kamener Bahnhof „war brutaler Überfall“

Familienvater schwer verletzt und ausgeraubt: „Treppensturz“ am Kamener Bahnhof „war brutaler Überfall“

Ein 42-jähriger Familienvater fährt Sonntag um 6 Uhr früh im Zug von Dortmund nach Kamen, geht zur Bahnhofstreppe – und erleidet angeblich einen schwerwiegenden Sturz, nach dem er sich an nichts erinnern kann.

Diese Pressemitteilung gab drei Tage nach dem Zwischenfall am Kamener Bahnhof die Kreispolizeibehörde Unna heraus. Wir berichteten darüber, unsere Leser stellten sich Fragen. Denn der geschilderte Vorfall klang seltsam und warf Fragen auf.

Wörtlich heißt es im Polizeibericht vom Nachmittag des 12. Oktober:

„Nach dem Treppensturz eines Mannes am Sonntagmorgen (09.10.2022) am Bahnhof Kamen sucht die Polizei Ersthelfer und Zeugen. Der 42-Jährige ist schwer verletzt, befindet sich in stationärer Behandlung und kann sich nicht an den Vorfall erinnern.

Bisherigen Erkenntnissen zufolge stieg der Kamener um 5.55 Uhr am Dortmunder Hauptbahnhof am Gleis 23 in den RE 6, Wagen 89705, ein und gegen 6.04 Uhr am Gleis 2 am Bahnhof Kamen aus. Aus bislang ungeklärter Ursache stürzte er in der Folge die Treppe des Bahnsteigs runter. Ersthelfer kümmerten sich um den Mann. Mit einem Rettungswagen wurde er in ein Krankenhaus gebracht.  Wie sich im Nachhinein herausstellte, wurden ihm unter anderem ein Handy, Kreditkarten und Bargeld entwendet. Eine Angehörige erstattete deshalb Strafanzeige.“

Jetzt wird allerdings klar: Es war kein Unfall, sondern offenbar ein brutaler Überfall.

Am Freitagabend (14. Oktober) stellte der schwer verletzte Peter F. mit einem detaillierten Facebookpost erschreckend klar, was an jenem frühen Morgen wirklich passiert ist.  „Hallo Ihr Lieben.

Am Sonntag, den 09.10.2022, wurde ich am Kamener Bahnhof Opfer einer schweren Körperverletzung und anschließenden Diebstahls.“

Unsere Redaktion erreichte den 42-jährigen Familienvater am Samstagvormittag telefonisch im Kamener Krankenhaus. Peter F. liegt dort mit einem schweren offenen Beinbruch. Er hat eine lange Reha vor sich, wird lange Zeit nicht arbeiten können, was für ihn als Selbstständigen „eine Katastrophe ist“, schildert er.

Die Mitteilung der Polizei, wonach er ohne Fremdverschulden „die Treppe hinuntergestürzt“ sei, will Peter F. nicht so stehenlassen.

„Ich habe mit der Kripo schon gesprochen und gesagt: Ich bin überfallen worden. Das war kein Unfall, das war ein brutaler Überfall. Man hat jedoch beschwichtigt und gesagt, dass man die Bürger mit solchen Berichten nicht beunruhigen wolle. Und dass ja vieles noch Spekulation sei.“

Tatsächlich kann sich der Schwerverletzte nur noch an wenige Bruchstücke jenes Morgens erinnern – diese ergeben jedoch zusammen mit den weiteren Erinnerungen an die Stunden zuvor ein völlig anderes Bild als das eines unglücklichen Treppensturzes.

In seinem Facebookpost am Freitagabend schrieb Peter F.:

„Mir wurde in der Fußgängerunterführung des Bahnhofs auf brutalste Weise das Schien- und Wadenbein zertrümmert, so dass ich direkt im Kamener Krankenhaus notoperiert werden musste. Zu allem Überfluss wurde mir noch alle Wertgegenstände gestohlen.  Ich kann mich leider an fast nichts mehr erinnern. Alles ist sehr verschwommen vor meinem Auge.

Unserer Redaktion gegenüber schildert Peter F., wie er den besagten Sonntag verbrachte.

„Ich war in Dortmund unterwegs, hatte mir zuerst im Stadion das 2:2 gegen München angesehen. Ich habe im Stadion zwei, drei Bier getrunken, alles im Rahmen.

Danach bin ich in ein arabisches Restaurant gegangen.“ Einfach mal wieder einen schönen Abend verbringen wollte der Kamener, für den in den Monaten zuvor so viel schiefgelaufen war. Seine Frau hatte bei einem Unfall einen Kniescheibentrümmerbruch erlitten und ist als Krankenschwester noch nicht wieder arbeitsfähig; bei der Hausrenovierung wurde das Paar „von dubiosen Handwerkern  übers Ohr gehauen, was unsere persönliche Situation nochmals verschärft.“

Das alles wolle der Fußballfan an diesem Sonntag einfach für ein paar Stunden vergessen.

Nach einem spannenden Ligaspiel und einem leckeren Essen im Restaurant stieg Peter F. um kurz vor 6 Uhr am Dortmunder Hauptbahnhof in den Zug in Richtung Kamen. Im Abteil traf er auf eine „drei- bis vierköpfige Gruppe“, die er als spätere Täter in Verdacht hat.

„Das war eine feucht-fröhliche Runde, die Männer wirkten gesellig und aufgeschlossen. Als sie mein Fußballtrikot sahen, riefen sie, ah, Borussia! Komm, trink mal!“ Eine Flasche wurde ihm gereicht.

„Ich dachte mir nichts dabei“, berichtet Peter F., allerdings schmeckte das Gebräu „ziemlich widerlich“, er spuckte das Meiste unauffällig aus. „Erst später ist mir aufgefallen, dass ich der einzige war, der getrunken hat.“

Knapp 10 Minuten später fuhr der Zug am Bahnhof Kamen ein.

„Ich stieg aus dem Zug, ging zur Unterführung, mir war ziemlich komisch. Ich dachte, was ist los. Ich stieg die Treppe hinunter. Meine nächste Erinnerung: Ich sitze auf der vorletzten Stufe, habe das Bein angewinkelt und sehe ein angewidertes, abgrundtief böses Gesicht. Jemand tritt mich gegen den Fuß. Eine Stimme sagt: „Jau, ist gebrochen!“

Dann wiederum erinnert sich Peter F. daran, dass er im Arm einer Frau lag.

„Ich schrie. Die Frau hat mich beruhigt. Es war offenbar eine Rettungssanitäterin.“ Es folgte die Erinnerung an grelle Lichter, „das waren wohl die Lichter des Rettungswagens oder die  Scheinwerfer im Operationssaal.“

Seine EC-Karte, die geliehene BVB-Dauerkarte, 150 Euro, sein iPhone waren weg. Gestohlen.

Seit 7 Tagen liegt der Vater eines 4-jährigen Sohnes nun im Kamener Krankenhaus und zermartert sich den Kopf darüber, was an jenem frühen Morgen passiert ist.

Die Polizei, schildert er unserer Redaktion, war am Kamener Bahnhof gar nicht vor Ort. „Es ging ein Notruf ein wegen eines Unfalls – dieser Notruf wurde von meinem Handy getätigt.“ Ob er selbst noch schwer verletzt die 112 wählte, bevor ihm das Handy geraubt wurde, wird die Stimmenauswertung des Notrufs in der kommenden Woche ergeben.

„Leider fehlen am Kamener Bahnhof trotz der Nähe der Polizeistation Überwachungskameras, welche die Täter identifizieren könnten. Und leider wurden die Videoaufnahmen aus dem Zug von der Kripo nicht gesichert – nach 72 Stunden werden die Aufnahmen überspielt, hat man uns gesagt.“

Was die Suche nach den Tätern jetzt natürlich sehr erschwert. Für den Schwerverletzten ist der Gedanke kaum auszuhalten:

„Diese absolut gewaltbereiten Täter laufen in Kamen frei herum. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis noch etwas Schlimmeres passiert.“ 

Zur Beschreibung der mutmaßlichen Gewalttäter hält sich das Überfallopfer vage. „Es würde die Ermittlungen gefährden, wenn ich allzu konkret würde. Sie wirkten jedenfalls sehr selbstsicher, ich schätze sie zwischen 25-35 Jahren.“

Das einzige Indiz, das zu den Tätern hinführen könnte, ist, dass am Sonntag zwischen 07:19 und 07:28 Uhr an einem Tabaccoland-Zigarettenautomaten mit Peter F.´s EC-Karte für 96,00 Euro Zigaretten gezogen wurden. Die Kripo ermittelt, um welchen Automaten es sich gehandelt hat.

Für den Kamener Familienvater ist diese brutale Tat „ein weiterer Beweis für den Verfall unserer modernen Gesellschaft. Dass sowas in Kamen passiert, hätte ich niemals für möglich gehalten. Nun liege ich schwerverletzt im Krankenhaus und habe eine lange Reha vor mir.“

Peter F. macht eindringlich die Folgen klar:

„Für meine Frau, meinen 4-jährigen Sohn und mich ist das eine folgenschwere Katastrophe. Deswegen sind wir darauf angewiesen, dass die Täter gefasst werden und wir entsprechend klagen können.“

Er habe am Freitag Bürgermeisterin Elke Kappen geschrieben und sie gebeten, das Sicherheitskonzept am Bahnhof zu überdenken. „Ich werde mich auch persönlich dafür einsetzten, dass eine Überwachung an den Bahnsteigen oder im Bereich des Bahnhofs stattfindet. Es darf nie wieder so eine schlimme Tat in dem Bereich passieren.

Ich habe die Tat überlebt. Was aber, wenn es mal jemand nicht überlebt.“

Peter F. schließt mit einem dringenden Zeugenaufruf:

„Liebe Leser, sollte euch am Sonntag, dem 9. Oktober 2022, in der Zeit von ca. 06:20-07:30 in Bahnhofsnähe und später im Bereich des Marktes etwas aufgefallen sein, so gebt die Infos bitte an die Polizeiwache Kamen weiter oder schreibt mich an.

Bleibt alle gesund und passt bitte auf Euch auf. Bis bald… Peter.“

 

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