„Dortmund Nordstadt: Jeder Fünfte ist arbeitslos. Mehr als die Hälfte aller Anwohner sind Ausländer. Kriminalität, Drogen und Gewalt gehören hier zum Alltag. Das Problemviertel ist Sinnbild für viele Stadtteile in ganz Deutschland mit besorgniserregender Entwicklung.“
So beginnt eine Dokumentation auf Stern TV über den Dortmunder Norden – jenen Stadtteil, den Polizeipräsident Gregor Lange in regelmäßigen Pressemeldungen als „immer sicherer“ in den Schlagzeilen hält und regelmäßig die polizeilichen Erfolge in diesem Schwerpunktgebiet seiner Behörde hervorstreicht.
Die Reportage ist aus dem Jahr 2018 und unverändert aktuell, liest man die vielzähligen Kommentare in den Dortmunder Social Media-Gruppen. Polizeichef Lange, ebenso wie der damalige und der jetzige Dortmunder Oberbürgermeister Mitglied der SPD, äußerte sich erst am gestrigen Freitag, dem 19. August 2022, wieder praktisch identisch wie vor vier Jahren.
Seine komplette Pressemitteilung dazu (HIER), die wir auf unseren Facebookseiten und auch in der größten Dortmunder Gruppe zur Diskussion stellten, stieß auf breite Kritik, Spott und ärgerliches Unverständnis. Wo Herr Lange denn bitte lebe und ob er das selbst glaube, was er da von sich gebe.
Zu allem Überfluss gab Langes eigene Behörde wenige Stunden nach seiner Positivbilanz die nächste Negativmeldung heraus: Es gab Schüsse und Tumulte mit bis zu 200 Beteiligten auf der Schleswiger Straße, wieder im Dortmunder Norden.
Die Dortmunder Polizei selbst stellte auf ihrer Facebookseite fest:
„Wir haben hier einige kritische Kommentare zur Kenntnis genommen. Wir können Ihnen garantieren, dass unser Behördenleiter regelmäßig selbst in der Nordstadt unterwegs ist. Des Weiteren lässt er sich fortlaufend und sehr detailliert über Vorkommnisse, Entwicklungen und Stimmungen in der Nordstadt informieren. Wir garantieren, dass das Thema Nordstadt im besonderen Fokus unseres Polizeipräsidenten liegt. Dies zeigt sich allein schon dadurch, dass er es bereits vor vielen Jahren zum einem behördenstrategischen Ziel des PP Dortmund gemacht hat.“
Die Zustimmung zu Gregor Langes optimistischer Lagebildzeichnung hielt sich gleichwohl in engsten Grenzen. Viel Zustimmung bekam ein Forist mit folgender Feststellung:
„Wieder eine typische Aussage von Menschen, die fernab von der Realität auf ihren Elfenbeintürmen leben und von da aus herunter blicken, so wie Petrus von den Wolken. Herr Lange, einfach mal für 4 Wochen zur Miete in der Nordstadt wohnen. Sie ist def. eine No-Go-Area, insbesondere ab Sonnenuntergang.“
Das Betrachten des Dortmunder Nordens durch den Weichzeichner ist bei der Polizeiführung und der Stadtspitze allerdings nicht neu. Großes Gelächter erntete schon der frühere Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD), als er sich Anfang Mai 2018 in der Presse wie folgt zitieren ließ:
„Die Nordstadt wird zu einem immer attraktiveren Ort für die Dortmunderinnen und Dortmunder!“
Anlass war ein Besuch „ausgewählter Standorte“ (Zitat Pressemitteilung) im Norden seiner Stadt.
Reporter von Stern.TV zeichneten im selben Jahr ein weitaus weniger optimistisches Bild. Sie ließen Anwohner selbst zu Wort kommen.
Etwa einer Rentnerin, die seit 50 Jahren in der Nordstadt lebt und von drei bis vier Polizeieinsätzen täglich berichtet.
Ein junger Familienvater, Bauarbeiter, seit einigen Jahren Anwohner des Nordens, sorgt sich besonders um seine beiden kleinen Kinder: „Man schläft hier abends echt ungerne ein, weil man immer Angst haben muss. Die Leute kommen hier rein, die treten die Türen weg. Hier passiert immer was.“
Und eine gebürtige Türkin kommt zu Wort, die in der Nordstadt aufgewachsen ist und sagt, dss sie hier eine schöne Kindheit gehabt habe – im Gegensatz zu ihren Töchtern.
Ihre sehr preisgünstige Wohnung halte sie noch hier. „Doch seitdem ihre ältere Tochter von einem bulgarischen Jugendlichen verprügelt wurde, überlegt die alleinerziehende Mutter wegzuziehen“, heißt es in der Reportage:
„Ich will, dass die Leute sich hier benehmen – und nicht einfach auf irgendwelche Kinder losgehen, Kinder schlagen und sich dann sozusagen verpissen“, wird die mehrfache Mutter zitiert.
Für die Stern-Reporter ist die Nordstadtentwicklung sinnbildlich für viele andere sogenannte „No Go-Areas“ in Deutschland.„Was aber tut die Politik, um die Entwicklung dieser Viertel vieler Städte in Deutschland zu stoppen?“, fragen sie.
Problemviertel Dortmunder Nordstadt: Zwischen Arbeitslosigkeit und Verwahrlosung | stern TV
Kommentare
[…] Lesen Sie den gesamten Bericht mit Rückschau auf die damalige Reportage HIER. […]
Das Problem beschränkt sich nicht mehr nur auf die Nordstadt. Bin selbst aus Innenstadt West, Nähe Westpark, weggezogen und habe Dortmund hinter mich gelassen. Meine Kinder sollen dort nicht aufwachsen. Es passierten Messerstechereien, Schießereien, Morde, Prügelattacken. Großfamilien die sich rund um ihre Dönerbuden an der Rheinischen Straße bekriegen. Manch einer fürchtete das Schreckgespenst „Gentrifizierung“. Mir wäre sie Recht gewesen – stattdessen rutschte der Stadtteil immer weiter ab in die Kriminalität und den Sumpf harter Drogen. Schade, denn ich habe mich dort jahrelang sehr wohl gefühlt.