Das Kind ist 12 – also braucht es im Krankheitsfall keine Betreuung mehr und kann allein zu Hause bleiben.
Das muss man wissen. Eine Familie aus Fröndenberg wusste es nicht und bekam mit einem Schreiben der AOK Nordwest, Servicestelle Unna, Ende Mai eine eiskalte Dusche.
Im April, gleich in der ersten Woche nach den Osterferien, war der 12-jährige Sohn Mike an Corona erkrankt. Beide Eltern sind berufstätig. Für die Woche, in der Mike in der Schule fehlte, meldete sich Familienvater Thomas bei seinem Arbeitgeber „kindkrank“. Dafür sieht der Gesetzgeber die sogenannten Kinderkrankentage vor, die mit Kinderkrankengeld abgegolten werden. Heißt, statt des Arbeitgebers zahlt die Krankenkasse.
Mit der Ergänzung des Infektionsschutzgesetzes am 23. April 2021 wurde der Anspruch auf Kinderkrankengeld sogar noch ausgeweitet: Der Anspruch gilt nicht nur dann, wenn das Kind krank ist, sondern auch, wenn Kitas und Schulen geschlossen sind oder die Betreuung eingeschränkt ist.
Allerdings gilt das alles nur für Kinder, die ihren 12. Geburtstag noch nicht gefeiert haben.
„Wir wussten das nicht“, erklärte das Paar aus Fröndenberg frei heraus gegenüber unserer Redaktion. So oder so hätten sie Mike, der eine Ganztagsschule besucht, auf keinen Fall die ganze Woche allein zu Hause gelassen, zumal es ihm in den ersten Tagen ziemlich schlecht ging.
Mike konnte nach einer Woche wieder zur Schule gehen, Vater Thomas beantragte bei der AOK für die ausgefallenen Arbeitstage Kinderkrankengeld. Mit Datum von 30. Mai kam die Absage:
Mike ist schon 12, daher bestehen für die Familie keinerlei Anspruch auf Kinderkrankengeld.
„Wir wussten das nicht, dass ein Kind ab 12 Jahren offenbar keine Betreuung mehr braucht und sich selbst pflegen kann, wenn es krank ist“,
kommentiert Mikes Mutter sarkastisch. Rund 600 Euro fehlen für den Monat April in der Familienkasse. Und das gerade jetzt, wo die Preise so explodieren.
Tatsächlich ist die Ablehnung der AOK mit der genannten Begründung korrekt. So heißt es auf der Seite der Bundesregierung zum Kinderkrankengeld:
„Das Kinderkrankengeld soll berufstätigen Eltern ermöglichen, Lohnausfälle durch die häusliche Betreuung eines erkrankten Kindes auszugleichen. Ein Anspruch auf das erweiterte pandemiebedingte Kinderkrankengeld besteht nicht nur dann, wenn das eigene Kind krank ist, sondern auch, wenn die Kinderbetreuung zu Hause erforderlich ist. Das gilt unter anderem dann, wenn die Schule, die Kita, oder auch die Einrichtung für Menschen mit Behinderungen pandemiebedingt geschlossen ist, die Präsenzbetreuung untersagt ist oder einzelne Klassen oder Kitagruppen in Quarantäne sind.
Anspruchsberechtigt sind gesetzlich versicherte berufstätige Eltern, die selbst Anspruch auf Krankengeld haben und deren Kind unter 12 Jahre alt ist. Bei Kindern, die eine Behinderung haben, besteht der Anspruch auch über das 12. Lebensjahr hinaus. Voraussetzung ist auch, dass es im Haushalt keine andere Person gibt, die das Kind betreuen kann. …
Der Anspruch auf Kinderkrankengeld steigt 2021 von 20 Tagen pro Elternteil und Kind auf 30 Tage und damit für Elternpaare pro Kind auf 60 Tage. Auch für Alleinerziehende verdoppelt sich der Anspruch pro Kind von 30 auf nun 60 Tage. Bei mehreren Kindern gilt ein Anspruch von maximal 65 Tagen, bei allein Erziehenden maximal 130 Tage.“
Was aber ist mit Kindern, die älter als 12 Jahre sind?
Auch die kann man nicht unbedingt alleine daheim lassen, wenn sie die Grippe, ein Magen-Darm-Virus oder – wie in Mikes Fall – Corona erwischt hat.
Bislang gilt hier: Eltern haben ab dem 12. Geburtstag ihres Kindes keinen Anspruch auf Kinderkrankengeld, sie müssen Urlaub nehmen, wenn sie ihr krankes Kind daheim betreuen möchten oder müssen. Der Blog „familie.de“ unterstreicht:
„Eine Verlängerung des Anspruchs über den 12. Geburtstag hinaus wünschen sich nicht nur Eltern. Im April 2018 haben sich die Mitglieder des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestags für eine Anhebung der Altersgrenze für das Kinderpflegekrankengeld ausgesprochen.“
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