Immer wieder „keine ausreichenden Haftgründe“, auch nicht bei massiven sexuellen Übergriffen gegen Frauen, auch nicht bei Belästigung Minderjähriger. Zwei Beispiele gleich zum Jahresstart aus der Metropole Köln. Dort ereigneten sich mehrere sexuelle Übergriffe, Haftgründe wurden nicht gesehen.
Eine 38-jährige Reisende aus Bulgarien wurde in der ersten Woche des neuen Jahres morgens im Hauptbahnhof massiv von einem fremden Mann sexuell belästigt. Sie wollte in der Bahnhofspassage ihren Kaffee trinken, als sich der 41-Jährige ungefragt neben sie setzte und anfing ihren Rücken zu streicheln. Dann griff er zu ihren Brüsten.
Obwohl die Frau den Grapscher sofort energisch aufforderte, seine Belästigungen zu unterlassen, machte er unbeeindruckt weiter. Mehr noch – er steckte der 38-Jährigen zusätzlich seine Finger in den Mund.
Daraufhin fing die Frau an zu schreien.
Mitarbeiter der Deutschen Bahn eilten hinzu, fanden die Frau in heftiger Gegenwehr in den Armen des Belästigers vor. Die beiden Sicherheitsmitarbeiter packten den Sextäter und hielten ihn fest, bis die Bundespolizei eintraf.
Die Beamten überprüften dann den 41-jährigen Eritreer und stellten fest, dass er in der Vergangenheit bereits mehrfach wegen Sexualdelikten in Erscheinung getreten war. Auf Nachfrage unserer Redaktion konkretisierte das Bundespolizeisprecherin Kathrin Stoff: Der Afrikaner war wegen sexueller Übergriffe mehrfach vorbestraft.
Dennoch konnte er – nachdem die Sicherung der Videoüberwachung veranlasst und ein (weiteres) Strafverfahren wegen sexueller Belästigung eingeleitet hatte – wieder seiner Wege gehen. Die Kölner Staatsanwaltschaft, bemerkte die Polizeisprecherin dazu, sei in puncto „ausreichende Haftgründe“ für ihre liberale Position bekannt.
Das erwies sich bereits zwei Nächte zuvor, als sich zwei minderjährige junge Frauen zur Bundespolizeiwache am Kölner Hauptbahnhof flüchteten. Sie waren am Rheinufer beim Durchqueren einer Absperrung von zwei ihnen unbekannten Männern zurückgedrängt und dabei absichtlich an den Brüsten angefasst worden. Später begegneten sie den beiden Grapschern wieder und wurden weiterhin mit obszönen Äußerungen belästigt.
Die Beamten fahndeten mit der Beschreibung durch die 17-Jährigen im Nahbereich und hatten kurz darauf zwei 18-jährige irakische Verdächtige gestellt. Nach Abschluss erster strafprozessualer Maßnahmen überstellten die Bundespolizisten die Männer zuständigkeitshalber an die Landespolizei. Die beiden jungen Frauen wurden, begleitet durch ihre gesetzlichen Vertreter, ebenfalls bei der Kriminalwache des Polizeipräsidiums Köln vernommen.
Die Bundespolizei leitete dann Strafverfahren wegen sexueller Belästigung gegen die beiden Iraker ein, die zudem erkennungsdienstlich behandelt wurden. Gründe für Untersuchungshaft lagen laut auch in diesem Fall nicht vor.
Bundespolizeisprecherin Kathrin Stoff unterstrich im Gespräch mit unserer Redaktion, dass über diese „ausreichenden Haftgründe“ nicht die Polizei entscheide, sondern die jeweilige Staatsanwaltschaft und der jeweilige Haftrichter. Viele Entscheidungen könnten die Polizeibeamtinnen und -beamten selbst nicht wirklich nachvollziehen.
Was hat es mit mangelnden Haftgründen auf sich?
„Die Rechtslage in Deutschland sieht so aus, dass wir grundsätzlich von der Unschuld eines Tatverdächtigen ausgehen. Die Verurteilung, etwa zu einer Haftstrafe, kann nur durch den Richter erfolgen“, erklärt Lars Elsebach, Vorsitzender im Fachausschuss Kriminalpolizei der Gewerkschaft der Polizei.
„Grundsätzlich darf der Staat keinem Menschen einfach so die Freiheit entziehen“, so Elsebach. Wird ein Verdächtiger auf frischer Tat ertappt, muss der Staat erst beweisen, dass diese Person die Straftat begangen hat.
Eine Untersuchungshaft darf nur dann angeordnet werden, wenn die Haft zur Sicherung des Ermittlungsverfahrens erforderlich ist. Dazu muss nach Paragraf 112 der Strafprozessordnung (StPO) einer der folgenden Haftgründe erfüllt sein:
- Fluchtgefahr
- Verdunkelungsgefahr
- Verdacht der Schwerkriminalität oder
- Wiederholungsgefahr
Fluchtgefahr liegt zum Beispiel vor, wenn die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entzieht, weil er sich etwa ein Flugticket besorgt und sich möglicherweise ins Ausland absetzen will.
Verdunkelungsgefahr heißt, es besteht die Gefahr, dass der Beschuldigte Zeugen bedroht oder Beweismittel vernichtet.
Bei der Wiederholungsgefahr steht die Verhinderung künftiger Straftaten zum Schutz der Allgemeinheit im Vordergrund. Voraussetzung dazu ist, dass der Tatverdächtige dringend verdächtig ist und die Wiederholungsgefahr auf der Hand liegt.
„In der Regel kann dieser Haftgrund nur bei schweren Sexualdelikten oder Serientätern angewandt werden. Die Delikte müssen in kurzer Zeit mehrfach begangen worden sein, sodass eine große Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie erneut begangen werden.“
Auch ein Verdacht auf Schwerkriminalität ist ein Grund, jemanden in Haft zu nehmen – Mord, Totschlag, schwerer Raub, Geiselnahme oder Terrorismus.
Gelangen Polizei und Staatsanwaltschaft zu dem Schluss, dass einer der genannten Haftgründe gegeben ist, muss der Fall dem Haftrichter vorgetragen und die beantragte Untersuchungshaft genau begründet werden. Erst wenn der Richter diesen Antrag bestätigt, kommt es zu einem Haftbefehl.
Kommt es zur Untersuchungshaft, darf diese im Regelfall nicht länger als 6 Monate andauern. Sonst muss ein Antrag auf Verlängerung gestellt werden. Das ist aber nicht endlos möglich: So musste der Angeklagte im Frankenthaler Babymord-Prozess noch vor der Urteilsverkündung freigelassen werden, weil sich der Prozess zu lange verzögerte. Das Bundesverfassungsgericht sah sein Grundrecht auf Freiheit der Person verletzt.
Untersuchungshaft ist keine Strafe
Bei Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe wird der Zeitraum der U-Haft auf die zu verbüßende Haftstrafe angerechnet, sodass sich die Haftzeit entsprechend verkürzt. Ein Beschuldigter wird in U-Haft auch nicht gemeinsam mit Strafhäftlingen untergebracht und genießt Privilegien gegenüber den regulären Gefangenen.
Quelle: https://www.polizei-dein-partner.de/
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